Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
Vom Netzwerk:
sich und ging zur Tafel. »Es sieht so aus, als habe es guten Grund gegeben, die Jagdwoche abzublasen, Eira.« Er griff zum Stift und fasste zusammen: »Ein Brand mit einem Toten. Brandstiftung kann nicht ausgeschlossen werden.«
    »Warum in aller Welt sollte jemand einen heruntergekommenen Alkoholiker, der keiner Fliege was zuleide tut, umbringen?« Eira schmerzte die Erinnerung an die Jagd.
    »Solche Typen verschönern nicht gerade das Stadtbild, wenn sie herumtorkeln und um Geld betteln«, sagte Henriksen, der plötzlich aus seinem Dämmerzustand erwacht war und sich in seinem Stuhl aufgerichtet hatte.
    »Hör doch auf, Henriksen. Per Andersen hat beim Schnorren wenigstens nicht Akkordeon gespielt.« Eira klopfte wieder ungeduldig mit den Fingerspitzen auf den Tisch.
    »Dass sie das Straßenbild verschandeln, ist das eine. Aber wenn ich daran denke, wie viele Ressourcen die Gesellschaft auf solche Leute verwendet, Sozialhilfe, Gesundheitsfürsorge …«
    »Du bringst es tatsächlich fertig, wegen des Stadtbilds und ein paar lausiger Sozialleistungen entrüstet zu tun. Der Mann ist vielleicht getötet worden, begreifst du das. Deshalb sitzen wir alle hier und reden über ihn.« Henriksen, frisch und munter, bei fabelhafter Gesundheit, war mehr denn je ein rotes Tuch für Eira.
    Henriksens Augen wurden schmal. »Entrüstet tun? Wenn das so ist …«
    »Okay«, fuhr Polizeidirektor Hagen brüsk dazwischen. »Wir warten die endgültigen Ergebnisse der Brandtechniker und Gerichtsmediziner ab. Sortiert jetzt, nachdem die Medien über den Fall berichtet haben, weiter die eingehenden Hinweise. Per Andersen wird unter Einbeziehung aller unserer Archive mit der Lupe untersucht, sowohl was die Vergangenheit als auch was die Gegenwart betrifft.«

Kapitel 12
    Eira kam heim in ein Haus, das ihm wie ausgestorben erschien. Er wanderte durch die Räume, die kleine Küche, das gemütliche Wohnzimmer, und öffnete die Tür zum Zimmer seines Sohnes Niillas. Wie üblich sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Haufen von Kleidung und Sportzeug. Dieses Chaos gab Eira stets ein Gefühl von Stabilität und Ruhe, besonders wenn der Junge mit seiner Gitarre im Schoß mittendrin saß. Jetzt war alles verwaist.
    Eira ging wieder in die Küche, fand eine Schüssel Labskaus vom Vortag und stellte sie in die Mikrowelle. Dann sah er auf sein Handy, aber auch hier keine Nachricht von Niillas. Gewöhnlich gab der Junge immer Bescheid, wenn er nicht zum Essen kam. Heute nicht. Vorgestern ebenso wenig. Und wenn schon, dachte Eira resigniert, als er das Handy wieder in die Tasche steckte. Er hatte keinen Anspruch darauf zu wissen, wo Niillas war. Irgendwann sollte er aufhören, immer darüber nachzugrübeln, was sein Sohn wohl gerade machte.
    Auf der Straße vor dem Küchenfenster vermoderten die Herbstblätter. Das Gefühl, sich auch selbst einer Art Herbst des Lebens zu nähern, stieg unbehaglich in Eira auf. Man musste sich darauf vorbereiten, bald wieder allein zu sein. Die Midlife-Crisis schlug brutal zu.
    Er wechselte vom Küchentisch hinüber zu seinem Arbeitstisch im Wohnzimmer und begann, in Hahnen- und Straußenfedern, Fäden, Harz und feinen Werkzeugen herumzustöbern. All seine Utensilien zum Fliegenbinden waren hier versammelt. Nun galt es, mit minimalen Bewegungen den haarfeinen Faden um die winzige Feder und den beinahe mikroskopisch kleinen Haken herumzuwickeln.Eine Beschäftigung, die es hoffentlich unmöglich machen würde, an andere Dinge zu denken.
    Eira befestigte einen Haken im Bindestock und begann mit dem Fliegenbinden – in erster Linie, weil er verbissen und gereizt war, und nicht, weil er besondere Lust dazu gehabt hätte. Eira gelang es nicht, sich zu konzentrieren. Er arbeitete ungenau und nachlässig. Die Fliege, die er zehn Minuten später gegen das Licht hielt, hätte keinen Fisch, der auch nur einen Funken Instinkt besaß, zum Anbeißen verführen können. Eira knipste den Haken ab und warf ihn in den Mülleimer.
    Das Labskaus hatte er in der Mikrowelle vergessen. Es war wieder kalt, aber Eira kümmerte sich nicht darum und aß es zur Hälfte auf. Die Stille ging ihm auf die Nerven. Er hätte viel dafür gegeben, das Gitarrengeklimper seines Sohnes durch die Wand zu hören. Selbst der Lärm aus Niillas’ überdimensionierter Stereoanlage, die Kehllaute des Sängers von Linkin Park , wären Eira im Augenblick willkommen gewesen.
    Stur und entschlossen hatte er sich an das Binden einer neuen Angelfliege

Weitere Kostenlose Bücher