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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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weiterer Knall, und die Windschutzscheibe zerplatzte in einem Schauer spiegelnder Prismen, während Annas Fuß von der Bordsteinkante abrutschte, sie taumelte, fiel fast hin, fing sich im letzten Moment und hetzte weiter, auf die schmale Gasse zu, die zwischen den nächsten beiden Häusern verlief. Ihr Gehirn hatte auf Autopilot geschaltet, ein animalischer Fluchtinstinkt regierte sie, Anna verkörperte jedes einzelne Tier, das jemals durch den Wald geflohen war. Da explodierte die Ecke des Gebäudes, Ziegelsplitter stoben durch die Luft, einer fetzte über ihr Gesicht, die Kante scharf wie ein Rasiermesser, der rote Staub fein wie Sand, und dann hatte sie es in die Gasse geschafft und rannte, rannte weiter, ihre Arme flogen vor und zurück. Hinter sich hörte sie einen lauten Fluch, gefolgt von schweren, schnellen Schritten.
     
    Alles war ausgelöscht bis auf das Brüllen des Bluts in seinen Ohren und den Schmerz, der durch seine Nervenbahnen raste, bis auf die Qual, die glühend heiße Qual, die all seine Sinne zu verschmelzen schien, bis er sie zugleich schmecken und riechen und hören konnte. Tom sagte sich, dass er aufstehen musste, dass er doch fast gewonnen hatte, aber dann bekam Jack seinen kleinen Finger zu fassen, den gebrochenen Finger, und riss ihn zur Seite. Die restliche Luft entwich aus Toms Lungen, er keuchte.
    Ein Faustschlag auf seine Nase, eine unglaublich rohe Form der Intimität, die ein Feuerwerk hinter Toms Netzhaut abbrannte. Er spürte, wie Jack seine Hand losließ, und kauerte sich zusammen, drückte die Finger an die Brust und rang um Atem. Sein Kopf war nur wenige Zentimeter von Saras Leiche entfernt, und er stellte sich vor, wie sich die Kugel anfühlen würde, wie er quer über Sara kippen würde, und freute sich darauf.
    Gleichzeitig befahl er sich, weiterzumachen, aber sein Körper reagierte nicht. Die Dunkelheit wartete auf ihn, Anna wartete auf ihn.
     
    In der Eile hatte Marshall die Schrotflinte nicht ordentlich angelegt, so dass sich der Schaft zweimal in seine Schulter getrieben hatte wie die Faust eines Riesen. Das Adrenalin betäubte den Schmerz, aber sein Missgeschick hatte ihn zwei leichte Treffer auf die Frau gekostet.
    Egal. Als er noch in der Liga spielte, konnte er einen schnelleren Sprint zur ersten Base hinlegen als jeder andere. Marshall nahm die Verfolgung auf, die Remington schussbereit in der Hand.
    Die Gasse zwischen den beiden Häusern war ziemlich schmal, vielleicht einen knappen Meter breit, und als er sie erreicht hatte, bog die Frau schon hinten um die Ecke. Marshall verlagerte sein Gewicht nach vorne und beschleunigte. Weiter vorne klapperte Holz auf Metall, während er auf eine Terrasse durchbrach, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie sich die Frau auf die andere Seite eines hohen hölzernen Gartenzauns fallen ließ. Er hielt direkt darauf zu, drückte das Sprungbein in die Erde und nutzte den Schwung, um den oberen Rand des Zauns mit einer Hand zu packen und sich hinüberzuwuchten. Er kam auf dem Asphaltboden einer schmalen Straße auf und legte sofort die Remington an, aber die Frau war schon in die nächste Gasse eingebogen  – in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Das war ein Fehler. Hätte sie weiter Haken geschlagen und Deckung gesucht, hätte er sie tatsächlich einholen müssen  – doch jetzt rannte sie geradewegs auf die Straße zu. Dabei hatte Jack noch gesagt, dass sie die Intelligentere von den beiden war, aber im Moment dachte die blöde Fotze offenbar nicht nach, denn die breite Straße bot keinerlei Deckung, und eine Magnumkugel traf ihr Ziel auch auf hundert Meter absolut exakt.
    Marshall schwang sich mit der linken Hand um die letzte Ecke und legte noch einmal alles in den Sprint zum Ende der Gasse, während er die Bewegungen im Kopf durchging: abstoppen, breitbeinig hinstellen, die Schrotflinte ordentlich anlegen.
    Anna Reed hatte noch zehn Sekunden zu leben, wenn überhaupt.
     
    Wieder traf ihn die Faust, diesmal auf die Wange, und Toms Kopf schwang zur Seite. Die Welt verschwamm.
    »Du Arschloch«, hörte er Jacks kehlige Stimme über sich, »du gottverdammtes Arschloch.«
    Ein Stiefel rammte sich in seine Rippen, es knackte hörbar, während ein dünnes Wimmern aus Julians Bettchen drang.
    »Jetzt hättest du dein hübsches kleines Leben wohl gerne zurück, was?«, fuhr Jack fort.
    Wie zuvor senkte sich eine merkwürdige Ruhe auf Tom. Ja, ihm tat alles weh, aber der Schmerz war viel zu groß, um ihn noch zu erfassen,

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