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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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rückwärts ein. Anna Reed blickte nicht einmal in ihre Richtung, während sie den Kofferraum des Pontiac schloss, eine Sporttasche über die Schulter hängte und den Gehsteig entlangschlenderte, auf ein großes Wohnhaus zu. Jack sah ihr hinterher, registrierte den geschmeidigen Schwung ihrer Hüften. Wirklich eine nette, hübsche Frau, mit der gelassenen Ausstrahlung eines Menschen, der sich absolut sicher fühlte.
    »Und jetzt?«, fragte Marshall.
    Jack legte die Hände auf die Oberschenkel. »Jetzt warten wir.«
     
    »Anna, du alte Gaunerin!« Sara riss die Tür auf und breitete die Arme aus. Sie trug ein weites Flanellhemd, zweifellos die Hinterlassenschaft irgendeines Ex-Freunds, ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    »Hey, Süße.« Anna ließ die Sporttasche auf den Boden rutschen und sank in Saras Umarmung. Tom hatte einmal gemeint, dass Sara die beste Umarmerin der Welt wäre, und obwohl es ihr damals einen Stachel der Eifersucht in die Brust getrieben hatte, musste Anna seither jedes Mal daran denken, wenn sie von Sara in die Arme geschlossen wurde. Das Mädchen hatte einfach eine unvergleichliche Art, einen ohne jeden Vorbehalt zu drücken.
    »Wie geht’s dir?«, flüsterte Sara besorgt.
    »Gut.« Nach allem, was in den letzten Tagen passiert war, brauchte Anna einen Moment, bis sie kapierte, dass Sara die fehlgeschlagene IVF meinte. Normalerweise hätte der Gedanke sofort eine tiefe Wunde gerissen, aber jetzt war alles anders. »Besser als letzte Woche.«
    Sara trat einen Schritt zurück und lächelte. »Da bin ich froh.« Sie drückte Annas Arm und ging voraus in die Wohnung. »Komm rein.«
    Anna folgte ihr. Sie wusste, was ihr bevorstand. Sie stählte sich innerlich, versuchte, die Zähne zusammenzubeißen, ohne sich etwas anmerken zu lassen. In der ganzen Wohnung roch es nach Milch und Windeln und Babypuder, nach Nächten voll tröstender Worte und Schlafliedern. Nach Mittagsschläfchen zu zweit, nach Hoffnung und Zukunft, nach Fürsorge und Liebe. Nach Sabber und Schweiß und goldener Nachmittagssonne.
    In der ganzen Wohnung roch es nach Baby.
    Und wieder riss sich irgendetwas in Anna los und flatterte davon wie ein Drachen, dessen Schnur gekappt wurde. Wie jedes Mal, wenn sie zu einem Junggesellinnenabschied eingeladen war oder Babyspielzeug für lang vergessene Kommilitoninnen kaufen musste, oder auch nur schwangere Frauen sah, mit dieser freudigen Röte, die sich kurz vor Schluss über ihre Gesichter legte. Also tat sie, was sie immer tat, um es zu überspielen: Sie gab irgendeine Belanglosigkeit von sich. »Wie ordentlich du’s hier hast.«
    Sara war schon auf dem Weg in die Küche. »Ich weiß!«, antwortete sie, ohne stehen zu bleiben. »Kann mich noch gut an den Junggesellinnenabschied erinnern. Eben noch mit den Jungs im Spin Ecstasy eingeworfen … und am nächsten Tag verwandle ich mich in meine eigene Mutter!« Sie schüttelte den Kopf. »Manchmal hab ich keine Ahnung, wie ich hier gelandet bin.«
    Ihre Stimme klang müde, aber frei von jeder Reue. Anna rang sich ein Lächeln ab. »Ich weiß nicht. Mutter kann wenigstens kochen.« Ein Babysitz hing an zwei Gummiseilen von der Flurdecke. Sie zog daran, und das Ding wippte auf und ab. »Wo ist das Äffchen?«
    »Julian schläft, Gott sei Dank! Kaffee?«
    »Gerne.« Anna schob eine bunte Plastikrassel beiseite und setzte sich an den Tisch, während Sara mit zwei Bechern in den Händen und einer Schachtel Schokokekse unterm Arm ins Zimmer kam.
    »Was hast du in der Tasche?«
    »Sportzeug«, antwortete Anna. Die Lüge ging ihr ganz natürlich über die Lippen. »Ich dachte mir, vielleicht schau ich nachher noch im Fitnessstudio vorbei.«
    Sara nickte und riss die Kekspackung auf. »Und wie geht es dir wirklich?«
    »Ganz okay. Es ist jedes Mal ein bisschen einfacher.« Anna nahm einen Schluck von dem viel zu heißen Kaffee. »Mein Gott, das hört sich furchtbar an, oder?«
    »Ach, Süße.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht klappt es nächstes Mal.«
    »Ihr wollt es also nochmal versuchen?«
    »Ja. Irgendwann muss die Wahrscheinlichkeit doch auf unserer Seite sein, oder?«
    »Aber ich dachte …« Sara legte den Kopf schief.
    Mist. Anna hatte ganz vergessen, dass sie erzählt hatte, wie pleite sie waren! »Na ja, wir können eine Zeit lang auf Kreditkarte leben.«
    Es war eine lahme Ausrede, aber ihre Schwester fragte nicht weiter nach. Kurz herrschte peinliche Stille, bis Sara aufstand. »Komm mit. Du musst mir helfen, das richtige

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