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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Vorwarnungen. Stöhnend, plappernd, rauschend, klagend. Und dann auch noch das einsame, unmelodische Pfeifen eines heftigen Wintersturms, der auf Regenrinnen und Überlaufröhren spielt, als wären sie Flöten aus Eis.
    Als ich die ersten Worte in diesem Chor der Winde hörte, glaubte ich zunächst, sie mir nur einzubilden, aber sie wurden schnell lauter und dadurch klarer. Männerstimmen: ein halbes Dutzend, vielleicht mehr. Blechern, hohl, wie durch ein langes Stahlrohr gesprochen. Die Worte kamen gruppenweise und wurden immer wieder von statischem Rauschen unterbrochen, wie es üblicherweise aus Walkie-Talkies oder Radioempfängern dringt.
    »... irgendwo, hier,genau hier...«
    »... schnell, um Gottes willen!«
    »... gib... nicht...«
    »... gib mir Deckung, Jackson,gib mir Deckung...«
    Die lauter werdende Kakophonie des Windes nahm einem fast genauso nachhaltig die Orientierung wie das Stroboskoplicht und die Schatten, die weiterhin aufflogen wie Legionen von Fledermäusen im Freßrausch. Ich konnte nicht ausmachen, aus welcher Richtung die Stimmen kamen.
    »... gruppieren... hier... gruppieren und verschanzen.«
    »... Position zum Übersetzen...«
    »... gruppieren, verdammt...na los, bewegt eure Ärsche.«
    »... jetzt übersetzen!«
    »... macht schon, ändert den Zyklus...«
    Geister. Ich hörte Geister. Diese Leute waren jetzt tot, waren schon tot gewesen, als dieser Stützpunkt geschlossen wurde, und das waren ihre letzten Worte gewesen, gesprochen unmittelbar bevor sie umgekommen waren.
    Ich wußte nicht genau, was mit diesen dem Tod Geweihten geschehen war, aber während ich ihnen lauschte, hatte ich nicht den geringsten Zweifel, daß ihnen irgendein schreckliches Schicksal widerfahren war, das sich nun auf einer übersinnlichen Ebene wiederholte.
    Ihre Stimmen wurden dringlicher, und sie sprachen wild durcheinander: »... ändert den Zyklus!«
    »... hört ihr sie? Hört ihr, wie sie kommen?«
    »... schnell... verdammt noch mal, was...« »... los... mein Gott... was ist los?«
    Sie schrien jetzt, einige heiser und andere schrill, aber alle Stimmen wurden von Panik entstellt: »Macht schon! Ändert den Zyklus!«
    »Holt uns raus!«
    «O Gott, o Gott, mein Gott!.
    »HOLT UNS HIER RAUS!«
    Statt Worten im Wind erklangen nun Schreie, wie ich sie noch nie gehört hatte und nie wieder zu hören hoffte, die Schreie von Sterbenden, und diese Männer starben nicht schnell, sie starben keinen gnädigen Tod. Ihr Kreischen übertrug nicht nur die Intensität ihres in die Länge gezogenen Todeskampfs, sondern brachte auch eine Tiefe der Verzweiflung zum Ausdruck, die einem kalte Schauer über den Rücken jagte, als wäre die Qual der Männer genauso seelisch wie körperlich. Ihren Schreien nach zu urteilen, wurden sie nicht nur einfach getötet; sie wurden abgeschlachtet, von etwas zerfetzt, das genau wußte, an welcher Stelle die Seele den Körper bewohnt. Ich konnte hören - oder bildete es mir wahrscheinlich nur ein ., wie ein geheimnisvolles Raubtier diesen Männern den Geist aus dem Fleisch riß und diese Delikatesse gierig verschlang, bevor es dann die sterblichen Überreste fraß.
    Mein Herz hämmerte so heftig, daß sogar meine Augen pulsierten, als ich wieder zur Tür sah. Die gepanzerte Konstruktion des Scharniers zeigte, daß hier eine furchterregende Wahrheit verborgen werden sollte, die ich aber wegen des ablenkenden Durcheinanders aus Licht und Ton irgendwie nicht zu fassen bekam, so frustrierend das auch sein mochte.
    Wäre die Walze des Scharniers nicht abgeschirmt gewesen, hätte man trotzdem noch schweres, strombetriebenes Werkzeug benötigt, Diamantbohrer etwa, und jede Menge Zeit, um die Gelenke aufzubrechen und den Drehbolzen auszuhebeln... Auf allen Oberflächen des Raums tobte der Krieg zwischen Licht und Dunkelheit nun noch wütender. Schattenbataillone prallten unter dem grauenhaften Kreischen, Zischen und Pfeifen der unfühlbaren Winde und des unaufhörlichen, geisterhaften Schreiens in noch wütenderen Angriffen mit Armeen des Lichts zusammen.
    ... und selbst wenn man das Scharnier aufbrechen konnte, befand die Stahlkammertür sich bestimmt immer noch unverrückbar an Ort und Stelle, denn die Bolzen, mit denen sie verriegelt war, saßen sicher in gleichmäßig angeordneten Löchern im gesamten Stahlrahmen, und es waren wahrscheinlich nicht wenige...
    Das Schreien. Das Schreien schien Masse zu besitzen, denn es ergoß sich über die Ohren in mich, bis ich bis zum Platzen damit gefüllt

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