Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
plötzlich um gequälte Seelen zu handeln, die mit einem derwischhaften, schmerzvollen Tanz hektisch der Verdammnis zu entkommen versuchten, als wäre ich nur von Fenstern mit Blick auf die Hölle umgeben.
    Während mein Herz so heftig pumpte, daß es mir fast die Halsschlagader sprengte, sagte ich mir, daß ich den Ovalen Raum nicht so sah, wie er in diesem Augenblick war, sondern so, wie er gewesen war, bevor die fleißigen Zwerge von Wyvern ihn - und die gesamte Anlage um ihn herum - bis auf den nackten Beton ausgeschlachtet hatten.
    Damals war die massive Stahlkammertür hiergewesen; aber jetzt war sie nicht hier, obwohl ich sie sehen konnte. Die Tür war ausgebaut, weggeschafft, der Wiederverwendung zugeführt, eingeschmolzen und zu Schöpflöffeln, Flipperkugeln und Zahnklammern gegossen worden. Nun war sie eine reine Erscheinung, und ich konnte so problemlos durch sie hindurchgehen, wie ich durch das Spinnennetz auf der Veranda des Bungalows in der Totenstadt gegangen war.
    Ich trat zum Ausgang, nicht um den Ovalen Raum zu verlassen, sondern nur um die Trugbild-Hypothese zu überprüfen. Nach zwei Schritten torkelte ich. Ich wäre beinahe zusammengebrochen und hingefallen, ohne den Sturz auffangen zu können, hätte mir die Nase gebrochen und mir ausreichend Zähne ausgeschlagen, um meinen Zahnarzt zum Lächeln zu bringen. Im letzten Augenblick fand ich das Gleichgewicht jedoch wieder, spreizte die Beine und setzte die Füße so fest auf den Boden, als wollte ich die Gummisohlen zwingen, wie die Saugnäpfe eines Tintenfisches zuzupacken. Der Raum bewegte sich nicht, auch wenn man sich hier wie in einem Schiff vorkam, das in schwerer See schlingerte. Die Bewegung war eine rein subjektive Wahrnehmung, ein Symptom meiner zunehmenden Desorientierung.
    Während ich die Stahlkammertür anstarrte und vergeblich versuchte, sie mit reiner Willenskraft aus der Existenz zu zwingen, und während ich mir überlegte, ob ich mich einfach auf die Knie fallen lassen und kriechen sollte, fiel mir eine seltsame Einzelheit ihrer Konstruktion auf. Die Tür hing an einem langen, walzenförmigen Scharnier, das einen Durchmesser von zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimetern haben mußte. Die Gelenke der Walze, die sich um den Stift in der Mitte - den Drehbolzen - bewegen, wenn eine Tür aufgestoßen oder geschlossen wird, liegen im Regelfall frei, bei diesem Scharnier taten sie das aber nicht. Die Gelenke wurden von einem ziemlich langen armierten Stück Stahl bedeckt, und auch der Kopf des Drehbolzens war in diesen Schild eingelassen, als sollte damit verhindert werden, daß jemand, der den Raum gewaltsam verlassen wollte, die Tür öffnen konnte, indem er die Elemente des Scharniers einfach aufbrach oder auf ihnen herumhämmerte. Hätte die Tür sich nach außen öffnen sollen, hätte man das Scharnier nicht innerhalb des Ovalen Raums anbringen dürfen, da die Wände ja anderthalb Meter dick waren. Die Tür konnte an diesem Ende des Eingangstunnels also nur nach innen schwingen. Diese eiförmige Kammer und die daran angrenzende Luftschleuse waren vielleicht entworfen worden, um einerseits einen hohen atmosphärischen Druck auszuhalten und andererseits mögliche verunreinigende biologische Substanzen einzudämmen.
    Alle Anzeichen unterstützten aber zudem die Schlußfolgerung, daß das Ganze auch zu dem Zweck errichtet worden war, jemanden, zumindest unter gewissen Bedingungen, gefangenzuhalten.
    Bislang war die kaleidoskopische Vorstellung in den Wänden nicht von Geräuschen begleitet worden. Obwohl sich kein Lüftchen regte, erklang jetzt auf einmal ein hohles und trauriges Windstöhnen, wie man es vielleicht vernimmt, wenn es über eine kahle, unfruchtbare Ebene bläst. Ich sah zu Bobby hinüber. Trotz der Tätowierungen aus Licht und Schatten, die auf seinem Gesicht ineinanderschmolzen, sah ich, daß er besorgt war.
    »Hörst du das?« fragte ich.
    »Klingt heimtückisch.«
    »Aber wie«, sagte ich zustimmend. Mir gefiel das Geräusch genausowenig wie ihm.
    Wenn dieser Klang eine Halluzination war, wie es bei der Tür offensichtlich der Fall war, teilten wir sie wenigstens. Uns blieb der Trost - so schwach er auch sein mochte ., gemeinsam wahnsinnig zu werden.
    Der nicht zu fühlende Wind wurde lauter, sprach nun mit mehr als nur einer Stimme. Das hohle Klagen setzte sich fort, und zu ihm gesellte sich ein stürmisches Getöse wie von einem Nordwestwind, der Regen ankündigend durch ein Wäldchen fegt, tobend und voller

Weitere Kostenlose Bücher