Im Bann der Leidenschaft
Zickzack einen sehr steilen Felshang hinauf. Schließlich erreichte sie nach langem Ritt einen Gipfel, der 3.230 Meter über dem Meeresspiegel lag.
Knapp drei Stunden später bog der Pfad scharf nach rechts, führte in ein Tal hinab und stieg dann allmählich wieder an. Unentwegt ging es bergauf und bergab, unter einer sengenden Sonne, über steinigen Boden. Am späten Nachmittag waren die Pferde völlig erschöpft.
»Bald sollten wir rasten«, schlug Ivan vor, »sonst beginnen die armen Tiere zu lahmen.«
Alex nickte. »Im nächsten Tal sehe ich saftiges Gras. Dort sollen sie sich stärken.«
Nach einem steilen Abstieg hielten sie in der grünen Senke.
»Hier werden wir übernachten«, entschied Alex. Voller Sorge fragte er sich, wie es Zena und ihrem Führer auf diesen gefährlichen Gebirgswegen ergehen mochte. An manchen Stellen boten sie nur einem einzigen Pferd Platz, zwischen senkrechten Felswänden und tiefen Abgründen. Ringsum herrschte beklemmende Einsamkeit. Seit der Prinz und seine Begleiter die Schäfer verlassen hatten, waren sie keiner Menschenseele begegnet.
Den Kopf auf dem Sattel, lag Alex auf dem harten Boden und hoffte inständig, Zena und Ma’amed in absehbarer Zeit einzuholen.
4
Zena und ihr Führer verbrachten die erste Nacht im Kellergeschoß eines Steinhauses, das zu einer Karawanserei gehörte. »Hier sind im letzten Januar zehn Männer erfroren«, berichtete Ma’amed.
Am nächsten Morgen setzten sie die Reise fort, noch ehe die Sonne aufging. Auf ihren robusten Bergponys, die mit den felsigen Wegen vertraut waren, kamen sie gut voran. In einer schmalen Schlucht, die sie am Nachmittag erreichten, mußte Zena hinter dem Lesgier reiten.
Plötzlich zerrissen Schüsse die Stille der abgeschiedenen Gebirgswelt. In den Hals getroffen, bäumte sich Ma’ameds Pony auf. Eine zweite Salve krachte, und der Führer glitt langsam aus dem Sattel. Reglos blieb er am Boden liegen. Auf seiner Brust breitete sich ein roter Fleck aus.
Zena schrie entsetzt auf und starrte die unnatürlich verkrümmte Gestalt an. Dann wendete sie ihr kleines Pferd, um vor den unbekannten Angreifern zu fliehen.
Zum Glück war ihr Pony nicht verletzt worden. In atemberaubendem Tempo raste es durch die Schlucht, von Schüssel verfolgt. Pfeifende Geschosse sausten an Zena vorbei, und sie beugte sich tief über den Pferdehals. Nur ein einziges Mal wagte sie über die Schulter zu spähen.
Beim Anblick der vier Männer, die hinter ihr hersprengten und ihre Gewehre und Schaschkas (Kavalleriesäbel) schwangen, erschauerte sie.
Mühelos holten sie den Flüchtling auf ihren schnellen schönen Kabardinerpferden ein.
Der Kopf eines großen Braunen tauchte neben Zena auf, der Reiter erhob sich in den Steigbügeln, zerrte sie aus dem Sattel, und sie landete in den Armen eines grinsenden Kriegers. Gleichzeitig packte ein anderer das Pony am Zaumzeug, und die galoppierenden Pferde wurden blitzschnell gezügelt. Alle vier Männer begannen triumphierend zu schreien. An die starke Brust des Anführers gepreßt, musterte Zena angstvoll die kantigen, von Pulverrauch geschwärzten Gesichter.
Als der Räuberhauptmann vom Pferd sprang und Zena mit sich riß, stiegen auch seine Leute ab und umringten ihre Beute. Nun wurde sie von einem zum anderen gestoßen. Lachend zerfetzten sie ihre Kleider, bis sie nur noch ihr Hemd, die Unterröcke und die eleganten Glacestiefel trug. Obwohl sie wußte, daß ihr im einsamen Gebirge niemand zu Hilfe eilen würde, schrie sie gellend und versuchte davonzulaufen. Aber ein schmerzhafter Peitschenhieb auf ihre Schultern beendete den Fluchtversuch. Der Banditenführer, der sie geschlagen hatte, lächelte sarkastisch, und seine Grausamkeit verwandelte Zenas Panik in heißen Zorn.
Würdevoll richtete sie sich auf und fauchte: »Iskender-Khan wird euch alle enthaupten! Ich bin seine Enkelin!«
Da ließ der Anführer die Peitsche langsam sinken und starrte Zena ungläubig an. »Sie, eine Giaur-Frau 5 ? Iskender-Khans Enkeltochter?«
»Allerdings, elender Schurke!« In wachsender Empörung dachte sie an ihren tödlich verwundeten Führer.
Abrupt kehrte er ihr den Rücken und beriet sich flüsternd mit den drei anderen. Sie nickten und schauten mehrmals zu Zena herüber.
Nach ein paar Minuten warf der Räuberhauptmann eine große Burka über ihren spärlich bekleideten Körper und erklärte tonlos: »Wir reiten nach Mingrelien. Dort wird uns Iskender-Khans Rache wohl kaum erreichen.«
Während der
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