Im Bann der Versuchung
erfahren habe, wird er zu Unrecht angegriffen. Wenn ich gewusst hätte, was Onkel Edward vorhat, dann hätte ich mein Möglichstes getan, um ihn davon abzuhalten."
„Fünfzigtausend Pfund braucht der arme Mann, sonst verliert er den Leuchtturm", zischelte Mrs. Berry.
Margaret schwieg; ihr war erbärmlich zu Mute. Suchend schaute sie über das Meer von Köpfen auf den unteren Rängen. Irgendwo hier im Theater saß er. Sie spürte seine Gegenwart. Ihr Herz schlug schneller, während sie vorsichtig nach ihm Ausschau hielt. Aber es war nahezu unmöglich, in der Menge eine einzelne Person auszumachen, auch wenn sie seine Kopfhaltung und seine breiten Schultern noch so gut kannte. Und wenn sich ihre Blicke wirklich begegneten? Ganz bestimmt wird er sich abwenden, überlegte sie traurig.
Die Musiker stimmten ein letztes Mal ihre Instrumente, die Gasbeleuchtung erlosch allmählich, und dann öffnete sich langsam der Vorhang. Die Bühne war leer bis auf eine halbhohe Säule mit einem Blumenarrangement und einen kleinen Tisch, auf dem eine Decke mit Paisleymuster lag und ein Wasserglas stand.
Im Saal herrschte erwartungsvolle Stille. Dann trat eine kleine, zierliche Frau auf die Bühne. Das braune, streng nach hinten gekämmte Haar schmückte eine schmale Rosenspange, das schlichte cremefarbene Kleid nur ein wenig Spitze. Jenny Lind sah aus wie ein unschuldiges, junges Mädchen, obwohl sie die Mitte der Dreißiger schon längst überschritten hatte. Miss Lind verschränkte die Hände vor dem Leib, hob den Kopf und begann zu singen. Hell und rein klang die Stimme wie der Gesang der Lerche am frühen Morgen.
Margaret gab sich ganz diesem Zauber hin und vergaß ihren Kummer dabei ein wenig.
Während der Pause war das Gedränge im Theaterfoyer um Lady Strathlin und ihre Begleitung groß. Von seinem Standort auf der anderen Seite der Halle konnte Dougal die Baroness kaum sehen. Es trieb ihn aber auch nichts, näher heranzugehen. Er blieb in der Nähe seiner Verwandten, und während sich Connor MacBain und seine Frau, Mary Faire, mit Bekannten unterhielten, stand Dougal still und steif da; hin und wieder nickte er oder erwiderte leise, mit äußerster Höflichkeit einen Gruß.
Nur einmal, als der Kreis der Damen in Abendroben und schwarz gekleideten Herren um Margaret herum sich für einen Moment öffnete, sah er sie. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, ein dunkelblauer samtener Theatermantel verhüllte ihre Figur, aber er erkannte die blonden Locken.
Dann drehte sie sich um, und er sah das liebliche Profil, das ihm so vertraut war. Sein Herzschlag setzte fast aus. Sie sah bezaubernd aus. Er liebte sie immer noch. Es schmerzte, so sehr begehrte er sie.
Einst hatte er Margaret gesagt, dass er, wenn er sich einmal etwas vorgenommen habe, sein Ziel nie aufgeben werde. Aber nach allem, was seit seiner Rückkehr nach Edinburgh passiert war, fühlte er sich betrogen und auch besiegt.
Aber es war seine Natur, mit Willenskraft sein Ziel zu erreichen. Trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge war er immer noch fest entschlossen, diesen Leuchtturm zu bauen.
Als ihr blonder Haarschopf wieder in der Menge verschwunden war, fasste Dougal noch einen Entschluss. Es war eine schwere, bittere Entscheidung: Er wollte Meg MacNeill vergessen - auch wenn es ihm das Herz brach.
Die Kutsche bewegte sich langsam voran in der langen Schlange von Droschken, die alle das Haus Nummer zwölf am Charlotte Square ansteuerten. Dougal lehnte sich aus dem Fenster. In einiger Entfernung, am Ende der Straße, konnte er das Stadthaus der Baroness erkennen. Der grandiose Häuserblock mit der durchgehenden palastartigen Fassade, die mehrere Stadthäuser mit ihren prächtigen Eingängen unter einem Dach vereinigte, war von dem berühmten Architekten Robert Adam entworfen worden. Lakaien hielten Laternen, Diener in schwarzer Livree halfen den Damen in den bunten Roben und den Herren in schwarzen Abendanzügen aus den Wagen.
„Hoffentlich sind wir bald da", stöhnte Mary Faire. Ungeduldig strich sie über die Volants ihres rosa Abendkleides. „Das Konzert war ja fantastisch, und Miss Lind hat eine erstaunliche Stimme, aber nachdem wir so lange still gesessen haben, brauche ich endlich etwas Bewegung."
Dougal wusste, dass seine Cousine gern tanzte, obwohl sie sonst ein eher ruhiger, zurückhaltender Mensch war. Sie hatte eine Ausbildung als Krankenschwester und assistierte ihrem Mann in seiner Praxis. Dougal war sehr dankbar über die großzügige
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