Im Bann der Versuchung
Gastfreundschaft, die Mary Faire und Connor ihm gewährten, wenn er in Edinburgh weilte. Und er war froh, dass sie sich entschlossen hatten, ihn heute Abend zu dieser Soiree zu begleiten. So war er sich wenigstens zweier Freunde gewiss.
„Noch ein wenig Geduld, Liebes", beruhigte Connor seine Frau, während er ebenfalls aus dem Fenster schaute. „In ein paar Minuten sind wir da."
Die Kutsche fuhr langsam weiter. Dougal nestelte an seinen Handschuhen herum, dann zwang er sich zur Ruhe. Schon seit Tagen fühlte er sich angespannt, und als er Lady Strathlin unter den Theaterbesuchern erblickt hatte, war die kalte Wut wieder in ihm aufgestiegen. Wie ein Panzer hatte sich dieser Groll um sein Herz gelegt, und nur so würde es möglich sein, eine Unterhaltung mit ihr an diesem Abend durchzustehen.
„Unvorstellbar, wie viele Menschen im Theater waren", meinte Connor. „Genau wie damals, bei dem ersten Besuch der Nachtigall in Edinburgh."
„Viele Leute sind vielleicht auch wegen Lady Strathlin gekommen", sagte Mary Faire. „Es gibt so viele Geheimnisse um die Baroness, dass die Leute neugierig sind und jede Gelegenheit wahrnehmen, sie zu sehen. Den Empfang heute Abend gibt sie wohl auch nur, weil sie eine große Bewunderin von Jenny Lind ist. Sonst hätten wir die Baroness in dieser Saison möglicherweise gar nicht zu Gesicht bekommen."
„In Anbetracht der vielen Empfänge nach diesem Konzert scheint Lady Strathlin wohl nicht die einzige Bewunderin von Miss Lind zu sein. Obwohl ich annehme, dass die Sängerin nur auf dieser Soiree persönlich erscheinen wird", erwiderte Connor.
„Kennt ihr die Baroness eigentlich gut?" wollte Dougal wissen.
„Wir sind ihr ein paar Mal bei Konzerten oder Abendeinladungen begegnet", antwortete Connor. „Und zusammen mit meinem Praxispartner, Dr. Lewis, habe ich die Frau von Sir Frederick Matheson behandelt. Sie war unheilbar krank und starb vor ungefähr einem Jahr. Soweit ich mich erinnere, bestand Lady Strathlin darauf, die Arztrechnungen zu bezahlen. Eine sehr großzügige Geste."
„In der Tat. Erst kürzlich habe ich mich mit Sir Frederick unterhalten. Er hat nicht erwähnt, dass seine Frau gestorben ist", sagte Dougal nachdenklich, da er daran dachte, dass Matheson seine bevorstehende Verlobung mit Lady Strathlin angekündigt hatte. „Und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass er in Geldnöten sei. Lady Strathlins finanzielle Hilfe erscheint mir daher ... hm ... irgendwie seltsam."
„Für ihre Jugend besitzt sie eine überwältigende Großzügigkeit, ohne arrogant zu sein", warf Mary Faire ein.
„So sieht es aus", sagte Dougal nachdenklich.
„Sie hat ihr Erbe erst angetreten, als sie achtzehn wurde. Bis zu ihrer Volljährigkeit hat die Bank das Vermögen treuhänderisch verwaltet."
„Ach ja?" fragte Dougal interessiert.
„Sie war übrigens vor ein paar Tagen da und wollte dich sprechen", fuhr Connor fort. „Beim Verlassen des Hauses hat sie ihre Visitenkarte verloren. Ich war sehr überrascht, denn ich hatte sie nicht erkannt."
„Sie wollte zu mir?" fragte Dougal.
Connor nickte. „Sie war sehr nervös, wollte offensichtlich unerkannt bleiben und stellte sich als Miss MacNeill vor. Du bist an jenem Abend so spät nach Hause gekommen, dass ich keine Gelegenheit hatte, dir davon zu erzählen."
„Ich dachte, du würdest Lady Strathlin recht gut kennen und regelmäßigen Briefwechsel mit ihr haben", sagte Mary Faire.
„Lady Strathlin und ich haben korrespondiert, aber nur durch ihre Anwälte ... und das war niemals vergnüglich." Er verzog ärgerlich den Mund. „Ich würde nicht sagen, dass wir gute Bekannte sind — ich würde uns eher als Gegner bezeichnen." Es tat weh, das so deutlich auszusprechen, aber so war es nun einmal. Dennoch fragte er sich, was sie wohl von ihm gewollt haben mochte. „Erzählt, was wisst ihr über sie?"
„Ich war zwar damals nicht in Edinburgh, aber soviel ich gehört habe, soll ihre Erbfolge eine ziemliche Aufregung verursacht haben", begann Mary Faire. „Sie soll aus einer einfachen Familie aus dem Hochland stammen ... oder waren es die Inseln? Na ja, jedenfalls hat ihr Großvater ihr das größte Vermögen von Schottland vermacht."
„Aha, ihr Großvater." Dougal erinnerte sich, dass Margaret einen Großvater auf dem Festland erwähnt hatte, von dem sie eine Bibliothek geerbt hatte. Das wird sicher eine recht ansehnliche Bibliothek gewesen sein, dachte er verbittert. „ Wann genau hat sie denn die Erbschaft
Weitere Kostenlose Bücher