Im Bann der Wasserfee
Deirdre, den Zauber zu brechen, aufgrund dessen sie die Stadt Ys nicht hatte betreten können. Sie wusste alles, da sie bereits in den Jahren zuvor ihre Schergen an alle Orte, die am Meer liegen, ausströmen hatte lassen, ganz besonders in Ys, jedoch gewiss auch bereits nach Sjælland in der Zeit, in der Malgven dort gewesen war. Deirdre konnte ihre Schlangen in die Stadt Ys schicken, doch dort noch nicht manifestieren, sodass sie Schatten blieben. Sie konnten dir damals nichts antun, sondern dich nur beobachten. Deirdre jedoch war ungeduldig. So schickte sie mich, um dich zu töten.«
Dahuts Blick fiel auf die magische Waffe. Sie schluckte, denn die Erkenntnis wog schwer. »Der Dolch. Du wusstest von ihm. Dann hast du in jener Nacht versucht mich zu töten?«
Niamh nickte. »Im Auftrag meiner Mutter, die befürchtet hatte, du würdest den Thron für dich beanspruchen, denn sie hatte dich als auch Ragnar in all den Jahren beobachten lassen und wusste alles, auch, dass du starke Sehnsucht nach Gwragedd verspürst. Ich hoffe, du wirst mir eines Tages vergeben können. Ich war nicht in der Lage, dich zu töten, denn ich bin nicht wie Deirdre oder so, wie sie mich haben wollte. Ich mag dich, Dahut. Du bist für mich wie die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe.« Niamh sank vor ihr auf die Knie. »Bestraft mich dafür, Euer Königliche Hoheit. Ihr seid die neue Königin. Doch ich bitte Euch, den Selkie zu verschonen.«
Dahut sah verwirrt auf Niamhs dunkles Haar, das sich über den Selkie ergoss, den sie umarmte. »Warum sollte ich einen von euch bestrafen?«
»Weil ich versucht habe, dich zu töten. Und weil die Selkies unsere Feinde sind.«
»Unsinn. Beides ist Unsinn. Und höre auf, mich so anzureden. Für dich bin ich Dahut, niemand sonst.«
»Schaff Dylan von hier fort, bevor sie ihn töten.«
»Wer sollte ihn töten?«, fragte Dahut.
»Die Wasserfeen, denn sie sind die Feinde der Selkies. Einst hatte sich einer von ihnen in eine Selkie-Frau verliebt. Doch sie erwiderte seine Gefühle nicht, woraufhin er sie gegen ihren Willen verschleppt hatte. Sie starb in seinem Turm. Daraufhin rächten sich die Selkies bitterlich. Dies ist die Quelle unseres Hasses.«
»Wenn Ihr mir helft, die Anderswelt zu verlassen, werde ich Dylan mitnehmen«, sagte Ragnar.
Dahuts Herz wurde schwer bei dem Gedanken, Ragnar zu verlieren. Sie wäre hier bei einem Volk, das sie nicht kannte und dem sie fremd war, auch wenn sich Ys jetzt darin befand – die Stadt, aus der sie zu entkommen trachtete. Dabei wollte sie nur bei Ragnar sein. Ohne ihn war sie nicht vollkommen.
»Ragnar, ich ...«
»Ihr seid also Malgvens Tochter?!«
Dahut wandte sich zu der Sprecherin um. Eine rothaarige Frau stand unweit von ihnen, umgeben von einem Dutzend schwarzgewandeter Krieger.
»Ist das gut oder schlecht?«, fragte Dahut. Sie wagte es nicht, ihre Abstammung von Malgven zuzugeben. Wer wusste, welche üblen Überraschungen noch auf sie warteten.
»Kommt drauf an, wie Ihr es seht. Ich bin Merenwen, die Bardin. Dies hier sind die Krieger von Gwragedd Annwn. Sie werden Euch dienen. Als Tochter der Thronerbin seid Ihr die neue Königin.«
»Mein Glückwunsch!«, sagte Ragnar.
»Aber warum? Ich verstehe nicht ... Danke, Ihr ehrt mich sehr. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.« Dahut rang ihre Hände. Sie blickte zu Boden. Natürlich verstand sie es. Ihre Mutter war die Thronerbin von Gwragedd Annwn, dem Wasserfeenreich, das vermutlich größer und prachtvoller war als die gesamte Cornouaille. Welch Ironie, denn als Kind hatte sie ihren Bruder um seinen Rang als Thronfolger beneidet. Jetzt stand sie vor der Aussicht, ein weitaus größeres Reich zu erhalten, doch erschien es ihr nicht länger erstrebenswert, wenn sie dafür Ragnar verlor.
»Wirst du zurückkehren nach Gwragedd, wenn du Dylan fortgebracht hast?«, fragte sie Ragnar.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich muss zurück nach Sjælland zu meinem Volk. Es steht zu erwarten, dass dein Vater uns wieder angreift – wie er es in den vergangenen Jahren mehrfach getan hat. Doch auch sonst brauchen sie mich. Ich kann und will meiner Pflicht, die ich vor zwanzig Jahren auf mich nahm, nicht entfliehen. Es tut mir sehr leid, Dahut, doch ich denke, Niamh wird sich deiner annehmen.«
»Ich verstehe. Es gehört zu dem Schwur, den du damals geleistet hast, nicht wahr?« Ein schweres Gefühl breitete sich in Dahuts Brust und in ihrem Hals aus.
Sie wandte sich Niamh zu, um die
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