Im Bann der Wüste
den Zorn eines alten Soldaten sehen können. Es war in der Tat bewundernswerte Zurückhaltung, dass der Historiker sich entschlossen hat, beide Hände zu benutzen und Lenestro am Umhang zu packen, anstatt sich auf eine zu beschränken, jenes häufig genutzte Schwert an seiner Seite zu ziehen und es der Kröte ins Herz zu stoßen.«
Nethpara blinzelte, als ihm Schweiß in die Augen rann.
Duiker drehte sich langsam um und schaute List an.
Der Korporal bemerkte das Missfallen im Gesicht des Historikers und antwortete mit einem Augenzwinkern. »Wir sollten lieber weitergehen, Herr«, sagte er.
Sie ließen auf der freien Fläche eine Gruppe zurück, die ihr Schweigen erst brach, als sie auf der anderen Seite in einem der Gänge zwischen den Zelten verschwunden waren.
List schritt an der Seite des Historikers und führte sein Pferd am Zügel. »Es erstaunt mich noch immer, dass sie darauf beharren, wir würden diese Reise überleben.«
Duiker warf ihm einen überraschten Blick zu. »Glaubst du denn nicht daran, Korporal?«
»Wir werden Aren niemals erreichen, Historiker. Und doch setzen diese Narren ihre Petitionen auf, formulieren ihre Beschwerden – gegen jene, die dafür sorgen, dass sie am Leben bleiben.«
»Wir haben das dringende Bedürfnis, uns die Illusion von Ordnung zu erhalten – wir alle, List.«
Der Gesichtsausdruck des jungen Mannes veränderte sich, wurde sarkastisch. »Leider habe ich Eure Sympathiebekundung da hinten gerade verpasst.«
»Ganz offensichtlich.«
Sie verließen das Lager der Adligen und betraten den Bereich, in dem sich die Wagen mit den Verwundeten befanden. Stimmen stöhnten, bildeten einen niemals verstummenden Chor der Pein. Duiker fröstelte. Selbst Lazarette auf Rädern waren von jener durchdringenden Atmosphäre der Furcht, den Geräuschen des Trotzes und der Stille der Kapitulation erfüllt. Die vielen tröstlichen Schichten der Sterblichkeit waren weggerissen worden und enthüllten zerschmetterte Knochen und einen plötzlichen Einblick in den Tod, der wie ein bloßliegender Nerv pulsierte.
Die Luft der Steppe war in einer Art und Weise von Bewusstsein und Erkenntnis geschwängert, wie die Priester es sich für ihre Tempel nur erträumen konnten. Die Götter zu fürchten heißt den Tod zu fürchten. An Orten, wo Männer und Frauen sterben, sind die Götter nicht länger Vermittler. Die besänftigende Fürsprache ist dahin. Sie sind zurückgetreten, zurück durch das Tor, und beobachten von der anderen Seite aus. Beobachten und warten.
»Wir hätten außen herumgehen sollen«, murmelte List.
»Selbst wenn wir diesen Mann, der der Hilfe bedarf, nicht auf dem Pferd hätten«, sagte Duiker, »hätte ich darauf bestanden, hier durchzugehen, Korporal.«
»Diese Lektion habe ich bereits gelernt«, antwortete List; seine Stimme klang angespannt.
»Wenn ich an deine Worte von vorhin denke, würde ich vermuten, dass du eine andere Lektion gelernt hast als ich, mein Junge.«
»Ermutigt Euch dieser Ort etwa, Historiker?«
»Er stärkt mich, Korporal, wenn auch auf eine kalte Weise, wie ich zugeben muss. Kümmere dich nicht um die Spielchen der Aufgestiegenen. Wir sind, was wir sind. Der endlose Kampf offen dargelegt. Dahin ist die Idylle, die Täuschung der Wichtigtuerei genauso wie die falsche Bescheidenheit der Unwichtigkeit. Selbst wenn wir vollkommen persönliche Kämpfe ausfechten, sind wir vereint. Hier ist der Boden der Tatsachen, Korporal. Dies ist die Lektion, die er uns erteilt, und ich frage mich, ob es Zufall ist, dass dieser verblendete Pöbel in goldenen Gewändern im Gefolge dieser Wagen marschieren muss.«
»Wie auch immer, auf die Gefühle der Adligen haben sich diese Offenbarungen anscheinend kaum ausgewirkt.«
»Glaubst du? Ich habe da hinten Verzweiflung gerochen, Korporal.«
List entdeckte eine Heilerin, und sie übergaben den Diener ihren blutverschmierten Händen.
Als sie das Hauptlager der Siebten erreichten, stand die Sonne schon tief über dem Horizont. Der dünne Rauch der Dungfeuer hing wie ein feiner, goldener Schleier über den in ordentlichen Reihen aufgebauten Zelten. Auf der einen Seite hatten sich zwei Trupps Fußsoldaten versammelt und hielten einen Wettstreit im Gürtelgreifen ab, wobei sie eine mit Lederriemen umwickelte Kappe als Ball benutzten. Um sie herum hatte sich ein Ring aus Zuschauern gebildet, die ihre Kameraden anfeuerten oder höhnische Bemerkungen machten. Gelächter erfüllte die Luft.
Duiker erinnerte sich an die Worte
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