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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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eines alten Seesoldaten aus der Zeit, als er selbst noch zur kämpfenden Truppe gehört hatte. Manchmal musst du einfach lachen und dem Vermummten ins Gesicht spucken. Die beiden Trupps taten genau das, sie rannten sich die Lungen aus dem Leib, um über ihre eigene Erschöpfung zu spotten, und sie waren sich der Tatsache, dass die Tithansi sie aus einiger Entfernung beobachteten, nur allzu sehr bewusst.
    Sie waren noch einen Tagesmarsch vom P’atha entfernt, und die drohende Schlacht hing wie ein Schatten über ihnen, der die Dämmerung düster und schwer machte.
    Zwei von Hauptmann Lulls Leuten flankierten Coltaines Kommandozelt, und Duiker erkannte eine von ihnen wieder.
    Sie nickte. »Historiker.«
    In ihren hellen Augen lag ein Ausdruck, der in ihm ein Gefühl aufsteigen ließ, als würde sich eine unsichtbare Hand auf seine Brust legen und ihn irgendwie zum Schweigen bringen. Immerhin gelang es ihm zu lächeln.
    »Also wirklich, Historiker«, murmelte List, als sie zwischen den beiden zurückgeschlagenen Zeltklappen hindurchgingen.
    »Genug davon, Korporal.« Doch er warf dem jungen Mann keinen Blick zu, um sein Grinsen erstarren zu sehen, obwohl er versucht war, es zu tun. Ein Mann kommt in ein Alter, in dem es die Weisheit gebietet, nicht der Begierde nachzugeben und einer Kameradin nachzustellen, die gerade einmal halb so alt ist wie er. Die Einbildung, man könnte tatsächlich noch bei solchen Wettbewerben mithalten, ist einfach nur erbärmlich. Außerdem war der Ausdruck in ihren Augen noch am ehesten mitleidig, ganz gleich, was mein Herz mir zuflüstert. Also Schluss mit solch närrischen Gedanken, alter Mann.
    Coltaine stand in der Mitte des Zelts, dicht bei der Zeltstange. Sein Gesichtsausdruck war düster. Duiker und List hatten mit ihrem Eintreten ein Gespräch unterbrochen. Bult und Hauptmann Lull saßen auf Faltstühlen und sahen niedergeschlagen aus. Sormo stand in ein Antilopenfell gehüllt mit dem Rücken zur hinteren Seite des Zelts; seine Augen lagen im Schatten. Die Atmosphäre war schwül und angespannt.
    Bult räusperte sich. »Sormo hat gerade etwas über diesen Gott der Semk erzählt«, sagte er. »Die Geister erzählen, etwas habe ihn verletzt – schwer verletzt. In der Nacht des Überfalls soll ein Dämon durch das Land gewandert sein. Leichtfüßig, wie ich vermute, und so ist die Spur, die er hinterlassen hat, nicht leicht zu verfolgen. Wie auch immer, dieser Dämon ist aufgetaucht, hat den Semk angefallen und ist wieder verschwunden. Es scheint, als wäre die Klaue nicht allein gewesen, Historiker.«
    »Ein Imperialer Dämon?«
    Bult zuckte die Achseln und schaute dann zu Sormo hinüber.
    Der Waerloga, der wie ein schwarzer Geier auf einem Zaunpfahl aussah, bewegte sich leicht. »Das könnte schon sein«, gab er zu. »Aber Nil sieht das anders.«
    »Warum?«, wollte Duiker wissen.
    Es dauerte lange, ehe Sormo antwortete. »Als Nil sich in jener Nacht in sich selbst zurückgezogen hat – wobei das besser heißen sollte: Er hat geglaubt, dass er sich in sich selbst zurückgezogen hatte, um vor dem magischen Angriff des Semk geschützt zu sein …« Es war klar, dass der Waerloga Mühe hatte, die richtigen Worte zu finden. »Man erzählt sich, dass die Tanno-Geistergänger dieses Landes in der Lage sind, sich in eine verborgene Welt zu begeben – kein richtiges Gewirr, sondern eine Sphäre, in der die Seelen frei von Fleisch und Knochen sind. Es scheint, als wäre Nil in einen solchen Ort hineingestolpert, und dort ist ihm … jemand begegnet … Zuerst dachte er, es wäre ein Aspekt seines eigenen Ich, eine monströse Spiegelung – «
    »Monströs? Wieso monströs?«, fragte Duiker.
    »Es war ein Junge in Nils Alter, aber mit dem Gesicht eines Dämons. Nil glaubt, dass dieser … Junge irgendwie mit der Erscheinung in Verbindung gestanden hat, die den Semk angegriffen hat. Imperiale Dämonen haben normalerweise keinen menschlichen Vertrauten.«
    »Wer hat das Wesen dann gesandt?«
    »Vielleicht niemand.«
    Kein Wunder, dass sich Coltaines schwarze Federn sträuben.
    Nach ein paar Minuten seufzte Bult vernehmlich und streckte seine knorrigen O-Beine aus. »Kamist Reloe hat auf der anderen Seite des P’atha einen Willkommensgruß für uns vorbereitet. Wir können ihn nicht umgehen. Also werden wir mitten durch ihn hindurchmarschieren.«
    »Ihr reitet mit den Seesoldaten«, sagte Coltaine zu Duiker.
    Der Historiker warf Hauptmann Lull einen Blick zu.
    Der rotbärtige Veteran grinste.

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