Im Bann der Wüste
herausmarschiert?«
»Nein, noch nicht. Ein Fehler.«
»Was hält sie zurück? Ist die Rebellion im Norden niedergeschlagen worden?«
»Niedergeschlagen? Nein. Überall haben die Rebellen die Oberhand. Und was Sha’ik angeht …« Coltaine machte eine kurze Pause und rückte seinen Umhang aus Krähenfedern zurecht. »Vielleicht haben ihre Visionen ihr die Zukunft gezeigt. Vielleicht weiß sie, dass der Wirbelwind scheitern wird, dass jetzt, in diesem Augenblick, die Mandata der Imperatrix ihre Legionen sammelt – in Untas Hafen wimmelt es von Transportschiffen. Der Erfolg des Wirbelwindes wird nur kurz währen, ein erster Blutrausch, der allein wegen der Schwäche des Imperiums überhaupt so erfolgreich war. Sha’ik weiß … der Drache ist geweckt worden, und noch bewegt er sich schwerfällig, aber wenn erst sein voller Zorn erwacht ist, wird er dieses Land von einer Küste zur anderen versengen.«
»Diese andere Armee hier im Süden … wie weit ist die noch weg?«
Coltaine streckte sich. »Ich habe vor, den Vathar zwei Tage vor ihr zu erreichen.«
Er muss die Nachricht bekommen haben, dass Ubaryd gefallen ist, zusammen mit Devral und Asmar. Der Vathar – der dritte und letzte Fluss. Wenn wir es über den Vathar schaffen, geht es geradewegs Richtung Süden nach Aren – mitten durch die gefährlichste Einöde auf diesem ganzen verdammten Kontinent, den der Vermummte verfluchen möge. »Faust, der Vathar ist noch Monate entfernt. Was ist mit morgen?«
Coltaine wandte den Blick von der Glut und schaute den Historiker blinzelnd an. »Morgen zerschmettern wir Kamist Reloes Armee, was sonst? Wenn man Erfolg haben will, muss man weit vorausdenken, Historiker. Ihr solltet das eigentlich wissen.«
Die Faust schritt davon.
Duiker starrte in das ersterbende Feuer. Er hatte einen sauren Geschmack im Mund. Das ist der Geschmack von Furcht, alter Mann. Du bist nicht Coltaine, verfügst nicht über seinen undurchdringlichen Panzer. Du kannst nicht weiter nach vorn schauen als ein paar Stunden, und du wartest auf die Morgendämmerung voller Überzeugung, dass es die letzte ist, die du jemals sehen wirst – und deshalb musst du sie dir noch einmal ansehen. Coltaine erwartet das Unmögliche, er erwartet, dass wir sein unerschütterliches Selbstvertrauen teilen. Dass wir seinen Wahnsinn teilen.
Ein Rhizan landete auf seinem Stiefel, faltete die zarten Flügel zusammen, als er sich setzte. Die geflügelte Echse hatte eine junge Kapmotte im Maul, die immer weiter zappelte, selbst als der Rhizan sie schon halb verzehrt hatte.
Duiker wartete, bis das Tier seine Mahlzeit beendet hatte, dann scheuchte er es mit einem Zucken seines Fußes davon. Der Historiker richtete sich auf. Von dort, wo die wickanischen Clans lagerten, erklangen Geräusche, die auf irgendeine ungewohnte Aktivität hindeuteten. Er marschierte zum nächsten Lager hinüber.
Die Reiter des Tollhund-Clans hatten sich im Schein auf Stangen gesteckter Fackeln versammelt, um ihre Ausrüstung vorzubereiten. Duiker trat näher heran. Verzierte Lederrüstungen waren aufgetaucht, in gedecktem Dunkelrot und Dunkelgrün gefärbt. Die dicke, gepolsterte Ausrüstung war in einem Stil gefertigt, den der Historiker noch nie zuvor gesehen hatte. Wickanische Runen waren in die Oberfläche eingebrannt. Die Rüstungen sahen alt aus – aber auch so, als wären sie noch nie benutzt worden.
Duiker näherte sich dem nächsten Krieger, einem pfirsichgesichtigen Jungen, der eifrig damit beschäftigt war, das Zaumzeug eines Pferdes einzufetten. »Ziemlich schwere Rüstung für einen Wickaner«, sagte der Historiker. »Und natürlich auch für ein wickanisches Pferd.«
Der Junge nickte ernst, sagte jedoch nichts.
»Ihr rüstet euch zu schwerer Kavallerie um.«
Der Bursche zuckte die Schultern.
Ein älterer Krieger, der ganz in der Nähe stand, mischte sich ein. »Unser Kriegshäuptling hat sich diese Rüstungen während unserer Rebellion ausgedacht … und hat dann mit dem Imperator Frieden geschlossen, bevor wir sie benutzen konnten.«
»Und ihr habt diese Dinger die ganze Zeit mit euch rumgeschleppt?«
»Hm.«
»Und warum habt ihr diese Rüstungen nicht benutzt, als wir den Sekala überquert haben?«
»Da haben wir sie nicht gebraucht.«
»Und jetzt?«
Grinsend hob der alte Krieger einen Helm hoch, der mit einem neuen Nasenschutz und neuen Wangenschützern versehen worden war. »Reloes Horde hat es bis jetzt noch nie mit schwerer Kavallerie zu tun gehabt,
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