Im Bann des blauen Feuers
offensichtlich hatte er nur mit ihren Gefühlen gespielt.
Er hatte sie benutzt, sie in Sicherheit gewiegt. Er hatte sich ihr Vertrauen erschlichen, und das machte ihn – wenn überhaupt möglich – noch schlimmer als Philippe.
„Glaub ihm nicht“, protestierte Ash aufgebracht. „Er lügt, Céleste! Bitte, du kennst mich doch, ich würde dir so etwas nie antun!“
Seine Stimme klang so eindringlich, dass sie ihm Glauben schenken wollte. Aber durfte sie es auch?
Gargon, der die ganze Szene interessiert verfolgt hatte, lachte leise. „Ist das nicht niedlich? Wer hätte gedacht, dass sich Ashael der Jäger einmal so zum Narren machen würde – und das wegen einer menschlichen Frau.“ Schlagartig wurde er ernst. „Hast du tatsächlich geglaubt, du könntest mich einfach so hinters Licht führen? Ihr Angeli habt wirklich kein Talent zum Lügen und Betrügen. Ich wusste sofort, dass du etwas im Schilde führst, als du mich gerufen hast. Mir war klar, dass du nicht ernsthaft mit mir verhandeln wolltest, also musstest du etwas anderes im Sinn haben. Es war nicht weiter schwer zu erraten, dass du es nur darauf abgesehen hattest, unseren Unterschlupf ausfindig zu machen.“ Er schüttelte den Kopf. „Du musst wirklich noch viel lernen, ehe du es mit mir aufnehmen kannst, Angelus. Schade nur, dass du dazu wohl keine Gelegenheit mehr bekommen wirst.“
Die letzten Worte hatte er gebrüllt – und im selben Augenblick brach die Hölle los.
Céleste schrie erschrocken auf, als sich ein halbes Dutzend Monster auf Ash stürzten. Sie selbst sah sich mit einer mindestens dreimal so großen Übermacht konfrontiert.
Angstvoll wich sie zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand des Ballsaals stieß.
In diesem Moment zerriss das Ungeheuer in ihr seine Ketten.
Ash war von einem Berg stinkender, widerwärtiger Körper begraben, deren schieres Gewicht allein ihn bereits zu zerquetschen drohte. Er konnte nicht atmen, konnte sich nicht bewegen. Schon spürte er, wie alle Kraft aus ihm hinausströmte.
Wenn nicht bald etwas geschah, würde er sterben.
Was für ein armseliger, erbärmlicher Tod.
Doch es war nicht die Aussicht auf den Tod, die ihn weiterkämpfen ließ. Und auch nicht die Art und Weise, wie es geschah. Nein, das, was ihn vorantrieb, war Céleste.
Er konnte sie hören. Wie durch eine dicke Daunendecke drangen Kampfgeräusche an sein Ohr. Sie mochte zwar die Macht über das blaue Feuer besitzen – und er hatte gesehen, was für eine furchterregende Waffe das war –, doch deshalb war sie nicht unverwundbar.
Sie brauchte ihn.
Allein das hielt ihn aufrecht.
Mit zusammengebissenen Zähnen tastete er mit den Fingerspitzen nach dem Messer, das im Schaft seines Stiefels steckte. Als er endlich mit der Hand den Griff umschloss, wurde ihm bereits schwindlig.
Er musste sich beeilen.
Blind stach er in die weiche, nachgiebige Masse, die auf ihm lag.
Ein Zittern durchlief den Berg aus Körpern. Dann – endlich! – ließ der Druck von oben ein wenig nach, und Ash gelang es, unter seinen Angreifern hervorzukriechen.
Der erste Atemzug brannte wie Feuer in seiner Kehle, doch er hatte nie etwas Köstlicheres geschmeckt. Seine Knie zitterten, als er sich aufrappelte, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Er drehte sich um und sah Céleste, die mit Blitzen von blauem Feuer ihre Gegner in Schach hielt.
Irgendwo, hoch über ihnen, hallte der Klang von Glockenschlägen durch die Straßen von Paris.
Es war Mitternacht.
Da sah Ash Gargon, der sich mit einem Zeremoniendolch von hinten an Céleste heranschlich. Ganz offensichtlich hatte er nur darauf gewartet, dass das blaue Feuer seine volle Kraft erlangte, um zuzuschlagen. Er würde Céleste töten.
Nein! Das lasse ich nicht zu!
„Vorsicht!“, rief er und rannte los.
In dem Moment, in dem Gargon den Dolch hob, um ihn Céleste in den Rücken zu stoßen, warf Ash sich dazwischen. Die Ereignisse schienen plötzlich im Zeitlupentempo abzulaufen. Ash sah den Dolch in seine Brust dringen. Er spürte einen scharfen Schmerz und stürzte zu Boden.
Während er fiel, sah er Céleste, die herumwirbelte und Gargon mit einem gezielten Feuerschlag vernichtete.
Dann wurde es schwarz um ihn herum.
Céleste hatte das Gefühl, die Ereignisse wie durch die Augen einer Fremden zu erleben. Es war das erste Mal, dass sie bewusst erfuhr, dass ihre dunkle Seite die Kontrolle übernahm. Es war erschreckend und faszinierend zugleich.
Zuerst hatte sie es kaum
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