Im Bann des Daemons
sie doch einmal einschlief, wurde sie von grinsenden Monsterfratzen, dem Weinen eines kleinen Mädchens und der verzweifelten Hilflosigkeit des Vaters heimgesucht, der seine Tochter verloren hatte.
Als der Morgen dämmerte, fühlte Jill sich so zerschlagen, dass sie einfach nicht die Kraft hatte, zur Uni zu gehen. Sie blieb lange im Bett und ignorierte das starke Bedürfnis, das Dämonenbuch wieder in die Hand zu nehmen. Schließlich hielt sie es jedoch nicht mehr aus. Sie stand auf und holte das Buch hinter dem Sofakissen hervor. Im hellen Tageslicht sah es so harmlos und unschuldig aus, dass die junge Frau sich wirklich albern vorkam. Sie hätte nie gedacht, dass sie wegen einer Geschichte derart überreagieren konnte. Vorsichtig blätterte sie zu der Stelle, an der sie am Vorabend aufgehört hatte, und atmete zitternd aus. Sie hatte sich nicht geirrt. Ihr Name stand tatsächlich da und auch, dass sie das Buch auf dem Trödelmarkt gefunden hatte. Sie blätterte weiter und erstarrte. Die restlichen Buchseiten waren leer. Wieso war es ihr nicht schon vorher aufgefallen?
Wie auch immer. Sie schaute den Band in ihrer Hand grimmig entschlossen an. Sie würde diesem Spuk nun ein Ende machen.
Jill schnappte sich ihren Abfallkorb, der zum Glück aus Metall gefertigt war. Dann warf sie dort einige zerknüllte Papierseiten, sowie das Buch hinein, stellte ihn auf den Balkon und zündete alles an. Zufrieden beobachtete sie, wie die rotgelben Flammen züngelten und das Papier zu verkohlen begann. Sie warf noch ein paar leere Blätter mehr hinein und sah zu, wie die Flammen immer höher stiegen und schließlich in sich zusammenzufallen begannen, bis nichts mehr als graue Asche übrig blieb. Nein, das stimmte nicht ganz. Unter der Asche konnte Jill noch immer einen festen Umriss erkennen. Irritiert kam sie näher und schüttelte den ausgebrannten Papierkorb durch. Darunter kam das Buch zum Vorschein – unversehrt und ohne Makel.
Unwillkürlich wich Jill einen Schritt zurück, das war doch nicht möglich! Dann packte sie die Wut. Sie schnappte sich das Buch, klappte es auf und begann, die Seiten herauszureißen. Zumindest hatte sie das vorgehabt, doch sobald sie ein Stück Papier abgetrennt hatte, verschwand es aus ihrer Hand und die Seite vor ihr war wieder ganz.
Jills Knie gaben nach und sie setzte sich langsam auf den Boden. Mit der Hand wischte sie sich müde über die Stirn und hinterließ dabei eine schwarze Rußspur. Soviel zu der Empfehlung auf der Rückseite, dachte sie bitter: verbrenne das Buch – von wegen! Wenn es bloß so einfach wäre. Sie musste sich dringend etwas anderes einfallen lassen, wie sie das Buch loswerden konnte. Obwohl sie es nicht versucht hatte, glaubte sie nicht, dass Wegwerfen eine Lösung wäre. Stattdessen nahm sie das Buch und fing wieder an zu lesen. Sehr aufmerksam dieses Mal. Vielleicht stand da ja doch etwas geschrieben, das ihr irgendwie weiterhalf.
Als Jill sich abends erschöpft ins Bett fallen ließ, hatte sie nichts Neues entdeckt. Inzwischen wusste sie selbst nicht mehr, was sie von der ganzen Geschichte halten sollte. Drehte sie völlig grundlos durch oder konnte das Buch ihr auf unerklärliche Weise tatsächlich gefährlich werden? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Und als sie schließlich einschlief, brachten ihre Träume ihr keine Entspannung.
Sie träumte von einem kleinen Mädchen, das bitterlich weinte.
„
Ich mag nicht mehr“, schluchzte die Kleine.
„
Ich weiß, mein Schatz“, sagte ein gut aussehender, jedoch völlig erschöpfter junger Mann und nahm sie auf den Arm. „Ich weiß“, fügte er noch einmal hilflos hinzu. Plötzlich blickte er hoch und schien Jill direkt anzusehen. „Wer bist du?“, fragte er überrascht.
„
Jill“, erwiderte diese verdattert. Sie hatte es noch nie erlebt, dass eine Traumgestalt sie direkt ansprach.
„
Bist du echt?“, wiederholte der Mann ungläubig. „Ich meine, bist du ein wirklicher Mensch?“
„
Ja“, sagte sie zögerlich.
Sofort war er bei ihr und nahm ihre Hand. „Bitte, du musst uns helfen. Bitte hol uns hier raus!“, flehte er.
„
Aber wie? Und wo sind wir hier?“
„
Ich weiß es nicht genau“, erwiderte er. „Es hängt alles mit diesem teuflischen Buch zusammen.“
„
Dem Buch?“, fragte Jill besorgt nach. „Dem Buch mit dem Monster darauf?“
„
Du hast es also auch gelesen“, stellte der Mann tonlos fest. „Dann wirst du uns nicht mehr helfen können. Du bist jetzt genauso verdammt.“
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