Im Bann des Daemons
Buchrücken steht. Ich melde mich heute Nachmittag noch mal bei dir, um mich nach deinen Fortschritten zu erkundigen.“
Sie legte auf und Jill starrte entgeistert das vor ihr liegende Buch an. Wie sollte sie es bloß zu Ende schreiben?
Als erste Maßnahme nahm sie einen Stift und kaute eine Weile nachdenklich daran herum. Dann gab sie sich einen Ruck. Sie hatte bereits unzählige Bücher gelesen, so schwierig konnte es ja nicht sein, nun selbst etwas zu schreiben
.
Als die gute Hexe den Dämon in das Buch bannte, hatte sie damit auch seine Lebenszeit begrenzt. Während Jill nachdenklich auf das Buch starrte, löste es sich plötzlich in ihren Händen in Luft auf und war verschwunden
, schrieb sie kurzentschlossen.
Doch sobald sie den Stift vom Papier nahm, verschwand der Text wieder und die Seite blieb leer zurück. Jill seufzte. Anscheinend war das nicht das passende Ende.
In den nächsten Stunden schrieb sie alle möglichen Schlusssätze, die ihr in den Kopf kamen, auf. Immer mit demselben Ergebnis. Um nicht ständig das Buch auf- und zuklappen zu müssen, malte sie sich die Anfangsrune auf die linke und die Endrune auf die rechte Hand ab.
Flüchtig wunderte sie sich darüber, dass sie der Dämon, der sie in der Nacht so gequält hatte, nun in Ruhe ließ. Wusste er etwa, dass sie nichts gegen ihn ausrichten konnte, dass ihre Mühe völlig vergeblich war? Jill schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe, so etwas durfte sie nicht denken. Sie hatte noch zwei ganze Tage. Da musste ihr einfach das richtige Ende für die Geschichte einfallen.
Verbissen schrieb die junge Frau Satz um Satz auf, nur um zuzusehen, wie jeder einznelne wieder verschwand. Sie hatte die Zeit und alles um sich herum vergessen, als plötzlich eine Stimme sie aus ihren Gedanken riss.
„Jill?“, fragte eine Männerstimme, die ihr irgendwie bekannt vorkam.
Überrascht blickte sie hoch und sah in Rudolfs aschfahles Gesicht. Neben ihm drückte sich Emma an sein Bein.
Jill spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Sie starrte auf ihre Knie, das Buch war verschwunden. „Nein, das kann nicht sein!“, stammelte sie fassungslos. „Es ist zu früh, viel zu früh!“ Ihre Stimme überschlug sich vor Angst. „Ich habe noch zwei ganze Tage!“ Sie sprang auf und blickte sich panisch um. Sie war nicht mehr in ihrer hellen, sicheren Wohnung, sondern in der kleinen, finsteren Kammer, die sie bereits in ihren Alpträumen besucht hatte. „Ich muss hier raus! Ich muss hier auf der Stelle raus! Ich gehöre nicht hierher!“
„Ich weiß.“ Rudolf machte einen Schritt auf sie zu und streckte seine Hand beruhigend nach ihr aus.
Jill wich von ihm zurück. „Das ist nicht echt“, murmelte sie. „Du bist nicht echt! Das alles ist nur ein grauenhafter Alptraum.“
„Wenn es dir hilft, kannst du gern eine Weile daran glauben“, sagte Rudolf und streckte die Hand nach seiner Tochter aus. „Komm, Emma. Wir lassen Jill jetzt lieber allein.“
„Nein, wartet!“, schrie die junge Frau auf. Sie wollte nicht allein sein an diesem grauenhaften Ort. „Was ist bloß schiefgelaufen?“, murmelte sie verständnislos. „Ich hatte doch noch Zeit.“
„Es ist nichts schiefgelaufen“, erwiderte Rudolf. „Ich denke, der Fluch ist stärker geworden, weil der Dämon durch uns stärker geworden ist. Vielleicht wird es ihm nun mit deiner Lebensenergie sogar gelingen, sich aus dem Buch zu befreien. Und wenn nicht“, er zuckte hoffnungslos mit den Schultern, „der Meister kann warten. Irgendwann wird das nächste Opfer dieses Buch aufschlagen und dann sind wir für immer verloren.“
„Können wir nichts dagegen tun?“, fragte Jill ungläubig. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich fürchte nicht. Glaubst du etwa, ich hätte in den vergangenen Jahrzehnten nicht alles versucht, um meine Tochter hier herauszuholen?“
Jill schwieg. Was hätte sie darauf auch sagen sollen.
„Wir haben noch etwas Zeit, da der Herr gerade ruht“, sagte Rudolf, um das Thema zu wechseln. „Möchtest du mit uns etwas essen?“
„Ja“, Jill nickte. Sie hatte zwar keinen besonderen Appetit, aber vermutlich schadete es nicht. Immerhin musste sie bei Kräften bleiben.
„Wir haben leider nicht viel“, sagte Emma, die einen angetrockneten Laib Graubrot aus dem Schrank holte und ihn in drei Teile brach. „Willst du Wasser dazu?“
Entgeistert starrte Jill die
Mahlzeit
an. „Das ist alles?“
„Ja“, sagte Rudolf.
„Nur Brot und Wasser? Gibt es
Weitere Kostenlose Bücher