Im Bann des Falken
Vogel galt, sondern ihr. Der Fremde sah direkt zu ihr herüber, und der Ausdruck in seinen Augen machte es Bethany unmöglich, sich abzuwenden. Zum ersten mal in ihrem Leben fürchtete sie sich wirklich. Hier geschah etwas, das sie sich nicht erklären konnte.
Der Araber lächelte fast unmerklich und hob die Hand. Das Samttuch wurde wieder über den Käfig gelegt. Wieder schnippte der Mann mit den Fingern, und die Träger nahmen die Last auf und setzten den Weg fort. Die Menge löste sich rasch auf und schien hinter Bethany zurückzuweichen, als der Unbekannte auf sie zukam.
“Hat der Falke Ihnen Angst eingejagt?”
Seine Stimme klang leise, fast melodiös … so ganz anders, als Bethany erwartet hätte. Sie wußte, daß sie etwas antworten mußte, und riß sich zusammen.
“Er kann einem tatsächlich Respekt abnötigen. Aber um mir angst zu machen, muß schon mehr passieren”, setzte sie stolz hinzu. Bisher hatte noch niemand sie einschüchtern können, und sie ließ sich auch von der Macht und Ausstrahlung dieses Fremden nicht beeindrucken.
Wieder das schwache Zucken um seine Lippen, das ein Lächeln sein konnte oder auch nicht. “Es ist ein Weibchen. Nur sie eignen sich zur Jagd. Sie sind größer, schwerer, schneller und tödlicher beim Zupacken. Was Sie eben gesehen haben, war ein großes Grönland-Geierfalkenweibchen, die Königin von allen. So ein Vogel ist unbezahlbar.”
Obwohl Bethany sich vorgenommen hatte, keine Schwäche zu zeigen, schauderte sie. “Das klingt brutal.”
“Das ganze Leben ist brutal”, bemerkte der Fremde spöttisch, ohne Bethany aus den Augen zu lassen. “Wer sind Sie? Was tun Sie hier?”
Sie kam nicht einmal auf die Idee, ihm die Antwort zu verweigern. “Mein Name ist Bethany Lyon McGregor. Und ich bin hier, um meinen Vater Douglas MacArthur McGregor zu suchen.”
Der Araber schwieg einen Moment und schien
nachzudenken. “Dann sind Sie also die Tochter des toten Wissenschaftlers”, sagte er endlich.
Panik ergriff sie, dann übermannte Verzweiflung sie. Vor Bethany begann sich alles zu drehen, und einen Augenblick befürchtete sie, ohnmächtig zu werden.
Der Araber umfaßte ihre Schultern, doch obwohl er sie nur leicht berührte, überlief Bethany ein elektrisierendes Prickeln, und das Atmen fiel ihr schwer.
“Woher wissen Sie das?” brachte sie mühsam hervor. “Wer sind Sie?”
“Der Herrscher von Bayrar. Als Scheich ist es meine Pflicht, zu wissen, was in meinem Land geschieht. Und auch außerhalb.
Mir wurde berichtet, P.J. Weatherly habe in der Angelegenheit ein Fernschreiben an ihre Regierung geschickt. Ich habe mich gefragt, was das zur Folge haben würde. Jetzt weiß ich es.”
Er trat etwas näher, so daß er direkt vor Bethany stand, und ihr war, als könnten seine Fingerspitzen, die ihren Nacken schwach berührten, fühlen, was in ihr vorging.
“Hat man die Leiche meines Vaters gefunden?”
Bethany mußte die Frage einfach stellen, um ganz sicher zu sein, doch sie sprach schleppend, wie angetrunken, obwohl sie keinen Alkohol anrührte, weil er sich mit dem Sport nicht vertrug. Wenn ich meinen Vater wenigstens ein letztes Mal sehen könnte! war der einzige Gedanke, der sie beherrschte.
“Nein. Das ist auch nicht nötig. In der Gegend, in der Ihr Vater gearbeitet hat, verschwinden die Toten schnell. Es wäre sehr ungewöhnlich, dort eine Leiche zu finden.”
Bethany fühlte sich wie von einem erstickenden Panzer befreit. Sie konnte wieder normal atmen, und ihr Herzschlag beruhigte sich. Sie hatten keine Leiche! Also waren es nur Vermutungen!
Vorsichtig trat sie einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sich und den Araber zu bringen und sich seiner Berührung zu entziehen. Seine Hand glitt von ihrer Schulter, und er ließ den Arm sinken. Bethany hatte plötzlich das Gefühl, den intensivsten Kontakt verloren zu haben, den sie jemals erlebt hatte. Auf einmal fühlte sie sich seltsam allein.
Aber das war sie ja auch! Dieser Scheich würde ihr bestimmt nicht helfen, einen Mann zu suchen, den er für tot hielt. Das mußte sie ganz allein tun und durfte sich von niemandem davon abhalten lassen.
“Für mich ist mein Vater erst tot, wenn ich seine Leiche sehe”, betonte Bethany. “Nichts anderes wird mich überzeugen.”
Beherzt warf sie den Kopf zurück und wartete auf die Reaktion des Scheichs.
“Ihre Überzeugung kann die Tatsachen nicht ändern”, bemerkte er trocken.
Bethany ließ sich nicht beirren. “Ich sehe das
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