Im Bann des Falken
zierliche kleine Nase und das kecke Kinn etwas charaktervoller sein können. Zufrieden war Bethany nur mit ihrem weich geschwungenen Mund und den makellosen weißen Zähnen.
Auch dem Steward, der sie fragte, ob sie etwas trinken wolle, schien ihr Lächeln zu gefallen, denn er zählte die zur Auswahl stehenden Getränke zweimal auf, während er Bethanys feingeschnittene Züge fasziniert betrachtete. Und obwohl er viele Fluggäste zu bedienen hatte, fand er immer wieder Zeit, zurückzukehren und sich zu erkundigen, ob er noch etwas für Bethany tun könne.
Dies war das erste Mal, daß sie Australien tagsüber überflog, und das Glück wollte es, daß sie direkt am Fenster saß.
Natürlich hatte sie schon Filme über die Buschlandschaft gesehen, doch erst aus dieser Höhe begriff man richtig, warum die Mitte des Kontinents das “Rote Herz” genannt wurde. Es war wirklich rot. Hier gab es weder Grün-noch Grau-noch Ockertöne. Nur erbarmungsloses Rot über Hunderte und Aberhunderte Kilometer … eine völlig andere Wüste als die, in der ihr Vater verschollen war.
Beim Gedanken an ihr Vorhaben fühlte Bethanys Brust sich wie zugeschnürt an. Aber außer ihr kümmerte sich ja niemand darum, was aus ihrem Vater geworden war. Für sie war er das Liebste auf der Welt. Sie würde ihn finden!
Zum erstenmal seit sie von seinem Verschwinden erfahren hatte, brannten ihr Tränen in den Augen. Als ihre Mutter kur z vor Bethanys Teilnahme an internationalen Meisterschaften gestorben war, hatte Douglas McGregor darauf bestanden, daß seine Tochter weitertrainierte. Ihre Mutter hätte es nicht anders gewollt, hatte er immer wieder betont. Und irgendwie hatte die harte sportliche Betätigung Bethany geholfen, mit dem Schmerz fertig zu werden.
Zwei Jahre später, mit achtzehn, nachdem sie als Lernschwester am St. Vincent’s Hospital aufgenommen worden war, hatte sie begriffen, warum ihr Vater sich von der Universität hatte beurlauben lassen und nach Neuguinea gegangen war. Nichts hatte die Lücke füllen können, die der Tod seiner Frau hinterlassen hatte, und es half, sich geistig und körperlich zu fordern.
Bethany würde das schreckliche Gefühl der Leere und Einsamkeit nie vergessen, das sie empfunden hatte, als sie erfahren hatte, daß ihr Vater in Neuguinea verschollen und vermutlich tot sei. Und ebensowenig das unbeschreibliche Glücksgefühl, als er zurückgekehrt war. Diesmal würde sie sich nicht der Verzweiflung überlassen. Ihr Vater war verschwunden, aber tot war er nicht. Das konnte und wollte sie einfach nicht glauben!
“In fünfzehn Minuten landen wir in Singapur. Landezeit zweiundzwanzig Uhr dreißig. Passagiere, die mit Flug SQ38
weiter nach Dubai fliegen, werden gebeten, sic h in den Transitraum des Flughafens zu begeben…”
Um die zweistündige Wartezeit zu überbrücken, vertrat Bethany sich die Beine und schlenderte durch die Halle. Sie war erstaunt, wie blitzsauber alles im Flughafen von Singapur war.
Das würde Oberin Vaughan gefallen, dachte sie.
Eine ganze Weile verbrachte Bethany im Duty-free-Shop, wo sie auf eine Eingebung hin eine Flasche Johnny Walker Swing erstand. In einem Land, in dem der Verkauf von Alkohol verboten war, konnte Whisky unter Umständen ein wertvolles Gut sein. Vielleicht half er ihr, den Weg zu ebnen, wenn sie sich P.J. Weatherly vorstellte und ihn um Hilfe bat. Der Leiter des amerikanischen archäologischen Ausgrabungsteams in Al-‘Ayn war vermutlich der wichtigste Mann, der ihr Auskunft über den letzten bekannten Aufenthalt ihres Vaters geben konnte.
Den größten Teil des Fluges nach Dubai verschlief Bethany.
Kurz vor zwei Uhr morgens landete die Maschine nach sechsstündigem Flug. Der Airbus nach Rhafhar ging erst kurz vor sechs Uhr früh, doch die Ausstellung eines Visums für die Vereinigten Arabischen Emirate nahm eine ganze Weile in Anspruch. Bethany gehörte keiner Reisegesellschaft an, was die Abfertigung vereinfacht hätte, doch schließlich gelang es ihr, die Behörden zu überzeugen, daß sie zu ihrem Vater wolle. Auch P.J. Weatherlys Name half ihr dabei.
Der Flug nach Rhafhar dauerte nur eine gute halbe Stunde.
Auch diesmal hatte Bethany das Glück, einen Fensterplatz zu ergattern. Vor der Küste konnte sie die Erdgasfackeln der Ölbohrtürme erkennen.
Von ihrem Vater wußte Bethany, daß die
Unterzeichnerstaaten des Waffenstillstandsabkommens für die Omanküste zwei große Wohlstandsperioden erlebt hatten: Die erste war vor hundertfünfzig
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