Im Bannkreis Des Mondes
müssen, dass sie dir nichts von der Heirat erzählt hat.«
Weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte oder ob ihre Stimme überhaupt trug, wandte Abigail den Kopf ab.
Sir Reuben legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie sanft, ihn anzusehen. »Hör mir zu, Kind.«
Sie sah ihn an.
Er lächelte. In der Tat, er lächelte. »Und jetzt lies von meinen Lippen ab.«
Widerstrebend nickte sie.
»Zuerst habe ich gedacht, die Idee deiner Mutter sei Wahnsinn. Aber dann haben wir den ersten Brief von Emily bekommen.«
Abigail sog scharf die Luft ein. Ihre Mutter hatte dies also schon geplant, nachdem die ersten Gerüchte über Emilys Hochzeit mit dem Anführer der Balmorals sie erreicht hatten? Abigail hatte schon lange vermutet, dass ihre Mutter lieber sie statt Emily – auf die sie sich bei der Führung des Haushalts ganz und gar verließ – in den Norden geschickt hätte, nachdem der König von Sir Reuben verlangt hatte, eine seiner Töchter nach Schottland zu verheiraten.
Aber Emily hatte sich geweigert, Abigails Ängste ernst zu nehmen. Sie hatte sich sogar sehr darauf gefreut, nach Norden zu gehen, und hatte Abigail versprochen, so bald wie möglich nach ihr zu schicken und sie zu sich zu holen.
Und jetzt wusste Abigail mit absoluter Sicherheit, dass es nicht Sybils Wunsch gewesen war, Emily fortzuschicken. Sie wusste nicht, wie ihre Stiefschwester es geschaffte hatte, durchzusetzen, dass sie an Abigails statt fortging. Um sie vor einem Leben zu beschützen, dem sie sich jetzt stellen musste.
»Emily …« Es war das einzige Wort, das sie hervorbringen konnte.
Kapitel 2
S ir Reuben seufzte. »Deine Mutter hatte nie vor, dich zu Emily gehen zu lassen. Diese Lösung war für sie nicht dauerhaft genug.«
»Sie hasst mich«, flüsterte Abigail. Die Worte brannten wie Säure in ihrem Hals und ihrem Herzen.
»Sybil ist eine Perfektionistin. Sie hat große Hoffnungen in dein gutes Aussehen gesetzt und ist stets davon ausgegangen, du würdest eine gute Partie machen und all ihre Erwartungen erfüllen. Das Fieber, das dir das Gehör raubte, hat ihr außerdem ihre Träume gestohlen.«
Abigail starrte ihn wütend an und versuchte, vor ihrem Stiefvater zurückzuweichen. Doch diese Bewegung bereitete ihr so große Schmerzen, dass sie wünschte, sie hätte sich nicht bewegt.
Seine Schultern sackten nach unten. Eine tiefe Traurigkeit lag in seinen sonst so streng blickenden Augen. »Ihr Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen, aber keiner von uns ist perfekt. Oft fügen wir denen, die wir lieben, größte Schmerzen zu, wenn unsere Enttäuschung unüberwindlich groß ist.«
Abigail erinnerte sich an eine Geschichte, die Emily ihr über die Zeit erzählt hatte, ehe Sir Reuben und Sybil geheiratet hatten. Jetzt fragte sie sich, ob er auf diese Zeit anspielte. Doch im Grunde war es egal, denn es kümmerte sie nicht, welche Gründe es für die Grausamkeit ihrer Mutter gab. Für diese Grausamkeit, die sie jetzt in eine ausweglose Situation trieb.
»Er wird mich umbringen«, sagte sie und äußerte damit ihre schlimmste Befürchtung.
Sir Reuben straffte die Schultern. Sein Stolz umgab ihn wie ein wärmender Mantel. »Ich würde das alles nicht zulassen, wenn auch nur die geringste Gefahr bestünde, er könnte dir etwas antun.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Doch, das kann ich. Weil es eine weitaus wahrscheinlichere Möglichkeit gibt, wie das Ganze ausgeht.«
Sie glaubte ihm nicht. Zudem war sie im Moment viel zu verzagt, um sich mit ihm zu streiten. »Warum?«
»Warum ich es zugelassen habe?«
Sie nickte.
»Deine Schwester fand ihr Glück mit ihrem Highlandlaird. Vielleicht ist das auch dir vergönnt.«
Es gelang Abigail nicht, all die Worte hervorzubringen, die ihr auf der Zunge brannten. Schließlich brachte sie hervor: »Hass.«
»Deine Mutter hat Gerüchte gehört, dass der Laird der Sinclairs alle Engländer hasst. Aber in Emilys Briefen steht, dass er sich inzwischen mit ihrem Mann verbündet hat. Wäre sein Hass wirklich so groß, hätte er sich wohl kaum mit einem Mann zusammengetan, der eine Engländerin geheiratet hat.«
Abigail starrte Sir Reuben an. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen.
»Du hast dein Gebrechen vor allen Burgbewohnern verbergen können. Das wird dir in seiner Burg ebenso gut gelingen.«
Abigail schüttelte so heftig den Kopf, dass sie einen stechenden Schmerz empfand. Was ihr Stiefvater da sagte, war unmöglich. Hier, in dieser Burg, kannte sie sich aus, kannte sie die
Weitere Kostenlose Bücher