Im Bannkreis Des Mondes
wenn Anna Abigails viele Blutergüsse mit einer Kräutersalbe versorgt hatte, die besser half als jedes Mittel eines Heilers, blieb doch das Unbehagen, das diese Wunden Abigail bereiteten. Es war ein Gefühl der Beklemmung, das auch durch Kräuter nicht vertrieben werden konnte. Die Zofe, die Sir Reuben Abigail für die Reise zur Seite gestellt hatte, half ihr jeden Abend und jeden Morgen, die Salbe aufzutragen, die einen intensiven Geruch nach Rosmarin und Zaubernuss verströmte.
Am späten Nachmittag des zweiten Tages erreichten sie die Burg der MacDonalds, die sich mit der Sir Reubens jedoch kaum vergleichen ließ. Es gab keinen Burggraben und keinen Bergfried, sondern nur ein Haus, das etwa viermal so groß war wie eine der umstehenden Hütten. Ein Holzzaun, der bei einem Angriff schnell in Brand gesteckt werden konnte, umfriedete das Gelände.
Nichtsdestotrotz schien die Ankunft eines englischen Barons samt seiner Soldaten die Bewohner der Niederlassung unbeeindruckt zu lassen.
Die Plaids der MacDonalds zeigten ein Karomuster in den Farben Dunkelorange und Tannengrün. Abigail suchte nach anderen Farben, um vielleicht ihren zukünftigen Ehemann oder einen seiner Clanangehörigen in der Menge zu entdecken. Doch wie schon während der Reise sah sie auch hier nur die Farben der MacDonalds.
Ein alter Mann und zwei stämmige junge Krieger näherten sich den Ankömmlingen. Sir Reuben zügelte sein Pferd direkt vor der Burg. »Willkommen auf dem Land der MacDonalds«, begrüßte der Alte sie mit sorgsam gewählten englischen Worten.
Es gelang Abigail gewohnt mühelos, dem Gespräch zu folgen, indem sie von den Lippen der Beteiligten las. Sie blickte erst den Schotten an und dann Sir Reuben.
Ihr Vater sprang aus dem Sattel. Sein ältester Soldat und zwei weitere taten es ihm nach, während die anderen im Sattel blieben. »Ihr seid der Laird?«
»Nein. Er ist mit den Sinclairs auf die Jagd gegangen.«
Diese Mitteilung überraschte ihren Stiefvater sichtlich. »Der Zukünftige meiner Tochter ist auf der Jagd?«
»Aye.«
»Und Euer Laird begleitet ihn?«
Der Gesichtsausdruck des alten Mannes verriet Abigail, dass irgendetwas an den Worten Sir Reubens ihn beunruhigt hatte. »Dem Sinclair widerspricht man nicht, Mylord.«
»Vielleicht war es sein Wunsch, das Wildbret für das Hochzeitsmahl eigenhändig zu erlegen?«, fragte Sir Reuben.
Der alte Mann nickte heftig. »Aye, ich bin sicher, so war’s.«
»Ich verstehe.« Sir Reuben blickte sich um. »Euer Laird hat Vorkehrungen für uns getroffen, nehme ich an?«
Der alte Mann zeigte auf eine Hütte mit einem Nebengebäude, die weitab von den anderen stand. »Aye. Die Hütte da drüben, die neben der Kapelle. Sie ist sauber und steht Euch zur Verfügung.«
»Und was ist mit meinen Männern?«
»Sind sie es nicht gewohnt, wie schottische Krieger unter freiem Himmel zu schlafen?«, fragte der alte Mann. In seinen Augen blitzte etwas Schelmisches.
Abigail musste unwillkürlich lächeln.
»Wir haben Zelte, die wir rund um die Hütte aufschlagen werden. Ich kann durchaus für meine Leute angemessen sorgen«, erklärte ihr Stiefvater. Abigail war sicher, dass seine Stimme vor Arroganz troff. Sie erkannte es an seinem Blick und seiner Körperhaltung.
Sir Reuben war ein mächtiger Lord. Was der Grund dafür war, dass seine einzige Bestrafung, nachdem er lediglich eine jämmerlich geringe Zahl von Soldaten zur Unterstützung seines Königs geschickt hatte, darin bestanden hatte, eine seiner Töchter mit einem Schotten vermählen zu müssen.
Abigail vermutete, dass jetzt auch ihre Mutter das Wort ergriffen hatte, denn der Blick des alten Mannes schweifte einige Male zu Sybil, auch wenn er nicht mit ihr zu reden schien, während er und ihr Stiefvater Abmachungen trafen, wo die Soldaten ihre Zelte aufstellen sollten.
Für einen kurzen Moment war Abigail fast froh, taub zu sein. So war sie jetzt nicht gezwungen, die giftigen Worte ihrer Mutter mit anhören zu müssen, und konnte einfach den Blick von ihren Lippen abwenden.
Zumal die Klärung der Frage, ob die Engländer ihre Zelte an der der Burg abgewandten Westseite der Hütte aufstellen würden, für sie eher unwichtig war.
Sie wollte endlich den Mann sehen, den zu heiraten man ihr befohlen hatte. Den Laird, dem sie ihr Gebrechen verheimlichen sollte.
Zumindest so lange, bis sie die Highlands erreicht hatten.
Als Abigail später an diesem Abend in dem schmalen Bett der Hütte lag, musste sie sich zum Schlafen
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