Im Blut vereint
stabil an.
Beweg dich. Beweg dich. Verdammt noch mal, dir bleibt keine Zeit. Geh zum Fahrstuhl. Sofort!
Ein leises Stöhnen drang durch das Dröhnen in ihren Ohren.
Sie arbeitete sich zum Fahrstuhl vor. Er war zwei Meter entfernt. Sie zog sich mit beiden Händen an der Gefriertruhe entlang.
Du schaffst das.
Das war nicht ihre Stimme, die sie da antrieb.
Sondern die von Imogen.
Sie spürte ein wenig Wärme in sich; von der Brust aus strömte sie in ihre Arme und Beine. Kate stieß sich von der Gefriertruhe ab, auf den Fahrstuhl zu. Sie erreichte den Knopf, dann gaben ihre Beine nach, und sie rutschte an der Wand hinunter. Doch sie packte den Rahmen der Fahrstuhltür und hielt sich fest. Sobald der Fahrstuhl kam, würde sie sich hineinschieben.
Das Getriebe surrte. Langsam. Mit jeder Sekunde verging ein Jahr ihres Lebens. Sie sah sie alle, in erschreckender Klarheit. Die verlorenen Jahre nach Imogens Tod. Die Jahre, in denen sie verzweifelt versucht hatte, sich wieder hochzuarbeiten. Und vielleicht irgendwann sogar Glück oder zumindest Frieden zu finden.
Stattdessen war sie jetzt hier.
Der Fahrstuhl klackte.
Schneller. Schneller. Mach schnell!
Blut rann ihr Bein hinunter.
Craig Peters wankte in den Raum.
Er stürzte auf sie zu.
Sie nahm das Skalpell in die eine Hand und schlug mit der anderen verzweifelt auf den Knopf.
Wo zur Hölle blieb der Fahrstuhl? Sie wollte nicht sterben, nur weil ein Fahrstuhl nicht kam.
Craig Peters packte sie am Hals.
Er zog sie hoch und schleuderte sie mit dem Rücken gegen die Wand. Der Fahrstuhlknopf bohrte sich ihr in den Rücken. Die Tür öffnete sich.
»Es tut nicht weh«, nuschelte er. Er blickte ihr in die Augen, aber Kate war nicht sicher, ob er sie wirklich sah. Sein Gesicht war verzerrt. An einem Mundwinkel hing ein Speichelfaden.
Er hielt sie noch immer am Hals gepackt. Seine Hand schloss sich wie im Krampf. Vor Kates Augen tanzten dunkle Punkte.
Ihr Kreuz wurde gegen den Aufzugknopf gedrückt – Knochen gegen Metall. Die Fahrstuhltür surrte irritiert.
Die dunklen Punkte schossen vor ihren Augen umher, umrahmt von Gelb und grellem Pink.
Er würde sie umbringen. Sie würde genauso enden wie Vangie Wright.
Craig Peters keuchte. Sein Körper schien steif und dabei so angespannt, als wollte er gleich vorschnellen und sie an der Wand zerquetschen.
Die Punkte blitzen in Neonfarben. Das Dröhnen in Kates Kopf nahm zu. Das Blut schien von innen gegen ihre Schädeldecke zu drücken.
Halt ihn auf. Halt ihn auf, bevor er sich das nächste Opfer holt, Katie!
Ich kann nicht. Er bringt mich um …
Beschütz die Opfer.
Die Stimme sprach drängend.
Auf mich hast du auch aufgepasst.
Das habe ich nicht!
Doch, Kate. Das hast du.
Nun klang die Stimme traurig.
Bis ich dich nicht mehr gelassen habe.
Die Stimme verklang. Zurück blieben nur wirbelnde Punkte. Schwarz und Weiß. Die Hand um ihren Hals ließ nicht locker. Unnachgiebig. Gnadenlos.
Das Skalpell. Sie konnte das kalte Metall in der Hand nicht mehr fühlen. Ihr Arm wurde taub.
Tu es. Sonst gewinnt er!
Sie hob den Arm. Gab ihren Muskeln den Befehl, sich anzuspannen. Dann stieß sie Craig Peters das Skalpell in die Brust. Er starrte sie an. Er schien sie immer noch nicht zu sehen. Sie zog am Skalpell. Mit einem saugenden Geräusch kam es frei.
Sein Würgegriff lockerte sich nicht. Ihr Kopf schien explodieren zu wollen, so stark war der Druck in ihrem Schädel.
Sie stieß noch einmal zu. Tiefer. Fester.
Craig Peters öffnete den Mund. Aus seiner Kehle drang ein Gurgeln. Kate zwang sich, die Finger fest um den Skalpellgriff zu schließen. Aber sie war zu schwach. Sie konnte es nicht mehr herausziehen.
Sie sah in Craig Peters’ blicklose Augen und wartete.
Sie hatte keine Atemluft mehr in sich. Keine.
Und ihre Schwester war fort. Sie hätte Imogens Stimme so gern noch einmal gehört. Aber Imogen sprach nicht mehr zu ihr.
Kate sah sich plötzlich unter Wasser schweben. Im Schwimmbecken. Sie und Imogen hielten die Luft an. Wer hielt am längsten durch? Bei dem Spiel war sie immer gut gewesen. Eins. Zwei. Drei. Vier …
Craig Peters’ Hand zuckte. Sein Griff lockerte sich. Sie riss sich los, duckte sich unter seinem Arm weg und fiel hin.
Lauf. Lauf. Lauf, verdammt noch mal!
Aber sie konnte nicht. Sie rang nach Atem. Sonst spürte sie nichts mehr. Sie lag da und keuchte.
Gleich würde er wieder zupacken und es zu Ende bringen.
Er kippte vornüber und knallte mit dem Kopf gegen die Wand. Das Skalpell
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