Im Blutkreis - Roman
Plötzlich ließ er seine Faust nach vorn schnellen; sie prallte gegen den Spiegel und zerschmetterte das Spiegelbild des Unbekannten. Seine Hand blutete, und er taumelte, bis sein Körper sich krümmte. Er fiel auf die Knie, eine Hand über dem Bauch verkrampft, die andere auf den Boden gestützt … Heftiger Brechreiz quälte ihn. Bei jedem Krampf spannten die Muskeln seines Körpers sich wie Seile. Sein Magen rebellierte, und schließlich erbrach er klebrigen Schleim und brach auf dem Boden zusammen. Sein Körper verkrampfte sich langsam und rollte sich zusammen, bis er wie ein Fötus dalag. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dorthin zurückzukehren, woher er kam, dorthin, wo ihn nichts mehr würde erreichen können, ins tiefste Koma.
In dieser Nacht hatte er einen Traum.
Ein kleines Kind sitzt zwischen seinen verstreuten Spielsachen. Eine Katze reibt sich an ihm. Wortlos, ohne das geringste
Gefühl zu zeigen, greift das Kind nach einer Klinge und bohrt sie dem Tier mitten in den Kopf. Das erschreckte Miauen schleudert Nathan in die Nacht einer Sandwüste, aus der Kämme schwarzer Felsen auftauchen. Nackte, abgemagerte Frauen und Männer, die glühende Funken in ihren hohlen Händen bergen, blicken ihn stöhnend an, die Gesichter tränenüberströmt, die mageren Finger auf ihn gerichtet. Als er den Blick senkt, bemerkt er, dass schwarze, zuckende Eingeweide aus seinem geöffneten Oberkörper quellen. Aber nicht darauf zeigen die Menschen. Der Wind bläst und wirbelt in einem ockerfarbenen Sturm stoßweise den Sand auf; in hellen Pigmenten zeichnet sich eine verhüllte Gestalt ab, die seinen Namen murmelt. Als er versucht, sie zu erreichen, entzieht sie sich ihm.
Als Nathan aufwachte, flutete das Sonnenlicht durch die Fenster herein und zeichnete helle, schräge Pfeile auf den Boden. Er stand auf und ließ seinen schmerzenden Körper knacken. Es war fast neun. Nathan dachte sofort an die Männer, die ihn verfolgten. Sie konnten jeden Augenblick auftauchen. Die Nacht hier zu verbringen war bereits ein gefährlicher Fehler gewesen, es blieb ihm nur wenig Zeit, um die Wohnung zu durchsuchen, bevor er erneut floh.
Er ging ins Badezimmer und duschte rasch. Nachdem er die oberflächliche Wunde untersucht hatte, die er sich an der Hand zugezogen hatte, holte er saubere Kleidung aus seiner Reisetasche: Jeans, ein langärmliges T-Shirt und Basketballschuhe; dann beschloss er, sich an die Arbeit zu machen.
Über den Daumen gepeilt schätzte er die Wohnung auf hundert Quadratmeter. Fünf weiß getünchte Zimmer, Parkettboden und Kamine aus schwarzem Marmor. Die Wohnung war hell und freundlich.
Fragen schwirrten ihm durch den Kopf. Wo sollte er anfangen?
Das Telefon. Er ging zum Flur. Der Apparat war Telefon, Fax
und Anrufbeantworter in einem. Es gab keine Nachricht. Nathan nahm den Hörer ab und drückte instinktiv auf die Taste für automatische Wahlwiederholung. Sofort erschien eine Nummer auf der Digitalanzeige. Es funktionierte. Nachdem es dreimal geklingelt hatte, meldete sich eine Stimme: »Orkyn Rive Gauche, einen Moment bitte…«
Nathan landete in einer Warteschleife. Während er den Namen auf ein Stück Papier kritzelte, suchte er in seinem Gedächtnis … Das sagte ihm nichts. Aus der Ansage, die an seinem Ohr vorbeirauschte, erfuhr er, dass Orkyn eine Gesellschaft für Luxusdienstleistungen war, die Wohnungen und Häuser vermittelte, Limousinen mit Chauffeur… Er hatte sich vermutlich an sie gewandt, um diese Wohnung zu mieten.
»Guten Tag, mein Name ist Vincent, was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte gerne Informationen über eine Wohnung, die ich zurzeit durch Vermittlung Ihrer Gesellschaft gemietet habe.«
»Gewiss, könnten Sie mir die Adresse nennen?«
»6 bis , rue Champagne-Première, im vierzehnten Arrondissement. Mein Name ist Falh.«
»Monsieur Nathan Falh.«
Er hatte einen Volltreffer gelandet.
»Richtig.«
»Und was möchten Sie wissen?«
»Hören Sie, ich glaube, ich habe die Kopie des Mietvertrags verlegt. Könnten Sie mir sagen, wann genau der Mietvertrag abgeschlossen wurde und wie lange er läuft?«
»Tut mir leid, Monsieur, aber derartige Informationen darf ich am Telefon nicht weitergeben. Vielleicht könnten Sie persönlich vorbeikommen?«
»Ich brauche diese Auskünfte jetzt sofort.«
»Aber …«
»Ich bin sicher, dass Sie eine Lösung finden werden.«
»Gut, Monsieur, warten Sie bitte einen Augenblick.«
Erneut die Warteschleife.
»Monsieur
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