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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fler
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ich an, sie zu glauben.
    Zehn Jahre später traf ich die Horrorlehrerin übrigens wieder. Ich sah sie zufällig in Berlin auf der Straße. Sie wirkte total gebrechlich,
    überhaupt nicht mehr so stark wie früher. Kurz darauf erfuhr ich von einem Bekannten, dass Frau Katschmarek an Krebs erkrankt war.
    Karma ist ’ne Bitch – sage ich da nur.
    Wo ich herkomme

    Mein ganzes Leben lang war ich von A usländern umgeben. Das lag an der Gegend, in der ich aufwuchs: Berlin-Lichterfelde. Wie in den
    Vierteln Marienfelde, Tempelhof und Lichtenrade war hier alles voller Sozialbauten. Die billigen Unterkünfte konnte man nur mit einem
    sogenannten Wohnberechtigungsschein beziehen. Und den bekamen ausschließlich Leute mit besonders niedrigem Einkommen: vor allem die
    Türken, die in den 60er-Jahren als A rbeiter nach Berlin geholt worden waren, um die Stadt nach dem Krieg wieder aufzubauen. Durch die
    Wohnberechtigungsscheine, die auf gewisse Viertel beschränkt waren, kam es, dass die A usländer alle schön zusammen auf einem Haufen
    hockten. Und so sind dann irgendwann die Gettos entstanden. Die Migranten lebten in ihrer kleinen, in sich geschlossenen Welt, die sie sich
    selbst aufgebaut hatten. Sie hatten gar kein Interesse daran, jemals ihr Viertel zu verlassen und sich im restlichen Deutschland zu integrieren.
    Wozu auch? In ihrer Hood hatten sie alles, was sie brauchten: Supermärkte, einen Bäcker, Klamottenläden und einen Friseur. A ußerdem
    waren die Busanbindungen in die City echt schrecklich. Man kam einfach nicht oft raus aus dem Getto. Und es machte auch fast den Eindruck,
    als würde die Stadt gar nicht wollen, dass die A usländer ihr Viertel jemals verließen. Es wirkte, als würde man sie wegsperren wollen, um sich
    ja nicht mit ihnen beschäftigen zu müssen. Nach verrichteter A ufbauarbeit wäre die Regierung die Migranten vermutlich am liebsten sofort
    wieder losgeworden, aber das funktionierte nicht: Die Türken fühlten sich pudelwohl in ihrer neuen Heimat. Kein Wunder – sie lebten
    inzwischen in der dritten Generation hier in Deutschland. Die meisten waren sogar hier geboren. In den Neunzigern kamen dann noch eine
    Menge arabischer Kriegsflüchtlinge dazu, und die hatten eh schon alles verloren und waren das harte Leben auf der Straße gewohnt. Sie
    kamen aus dem Krieg und hatten nicht selten dem Tod direkt ins A uge geblickt. So was härtet ab. Viele von ihnen lebten in Deutschland frei
    nach dem Motto: fressen und gefressen werden. Sie mischten die Viertel auf und sorgten für A ngst und Schrecken auf der Straße.
    Meine Familie hatte kein Geld für eine bessere Gegend, deshalb wohnten wir in Lichterfelde – ziemlich abseits von Berlin. Ich wuchs in der
    Scheelestraße Nummer 102 auf. Sie gehörte zur Thermometer-Siedlung – einer bekannten A ssi-Gegend mit besonders vielen Sozial- und
    Plattenbauten. Unser Haus hatte vier Etagen, war gelb-blau und relativ neu. A ls kleiner Junge hing ich meistens auf dem Marktplatz ab. Da
    war immer was los. Ich saß stundenlang auf meinem Mäuerchen und sah den Gangs bei ihrem Treiben zu. Es war wie ein A ction-Film im
    Fernsehen, nur spannender. Die »Southside-Riders« hatten ihre Schlagstöcke, Pistolen und Messer dabei, und mit denen gingen sie dann auf
    die »36 Boys« los. Dazwischen tummelten sich die Drogenverkäufer und ihre Junkies. Ich bekam schon früh mit, wie hart das Leben auf der
    Straße war: A uf dem Marktplatz herrschte Krieg!
    Deutsche waren in der Minderheit. Normalerweise hätte ich mich wohl mit meinen wenigen Landsleuten verbünden sollen. A ber auf die hatte
    ich so gar keinen Bock. Die Deutschen waren mir einfach zu langweilig – die meisten hatten einen Stock im A rsch und waren komplett uncool.
    A ußerdem hatten sie alle Schiss: Sie erstarrten vor A ngst, sobald sie einen A usländer sahen. Die Einheimischen hatten im Viertel nichts zu
    melden und ließen sich von den Migranten alles gefallen. Wenn ein paar A raber einem Deutschen eine Schelle mitten ins Gesicht gaben,
    wehrte der sich nicht. A uch vor mir hatten die meisten A usländer keinen Respekt. Sie nannten mich »deutsche Kartoffel«, was ich vollkommen
    beschissen fand. Ich wollte unbedingt von ihnen akzeptiert werden, einer von ihnen sein. Irgendwie bewunderte ich ihr
    Zusammengehörigkeitsgefühl: Sie waren alle wie Brüder. Und: Sie waren stolz auf ihre Herkunft. Die A usländer waren die Kings der Hood.
    Sie machten Breakdance, Graffiti und spielten Basketball. Das

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