Im Bus ganz hinten
mit der Bahn zurück in die Siedlung.
Erleichtert stürzte ich in unsere Wohnung. Meine Mutter war schon von der A rbeit zurück und saß erschöpft auf der Couch. Ich freute mich, sie
zu sehen, aber das beruhte anscheinend nur bedingt auf Gegenseitigkeit. »Und, wie war’s?«, fragte sie matt. »Sie wollte ganz viel von mir
wissen«, erzählte ich. Meine Mutter brachte gerade noch die Energie auf, um ihre Lieblingsfrage zu stellen. »Warst du auch brav?«
»Natürlich«, antwortete ich. Und damit war das Thema für sie schon wieder erledigt.
Einige Wochen später hatte ich die Schnauze voll von den Therapiestunden. Ich fand sie einfach nur sinnlos. »Mama, ich will nicht mehr zu
der Uhlmann-Lubich«, jammerte ich. »Wieso?«, fragte sie verwundert. »Ich will halt nicht mehr«, sagte ich. »Du gehst da jetzt hin. Ende der
Diskussion!« Meine Mutter war kompromisslos wie immer. A lso stieg ich weiterhin Woche für Woche in die U-Bahn Richtung Wedding und
dachte auf der Fahrt über mich nach. Immer wieder stellte ich mir dieselben Fragen. Was war nur los mit mir? War ich normal?
Jump, Jump
Musik ist das Beste. Das fand ich schon als kleiner Junge. Ich liebte es einfach, stundenlang Songs anzuhören. Deshalb war meine
Lieblingsfernsehsendung auch die Mini Playback Show. Mit meinem Kumpel David saß ich jeden Freitag gespannt vor dem Fernseher. David
war schwarz und kam aus dem gleichen Block wie ich. Ein wirklich netter Typ. Und wir hatten ein gemeinsames Ziel: Wir wollten auch mal in
Mareike A mados »Mini-Lädchen« durch die krasse Zaubertür gehen. A ber dafür musste erst ein richtig cooles Lied her! Damals hatten wir
noch nicht so viel A hnung von Musik. Wir kannten gerade mal David Hasselhoff mit »Looking for Freedom«. Deshalb durchstöberten wir die
Plattensammlung von Davids Vater und wurden tatsächlich fündig: Wir stießen auf Kris Kross mit dem Song »Jump« und entdeckten darüber
unsere Liebe zum Rap. Der Song war einfach geil! Die Typen waren auch zu zweit, so wie wir, und dazu sahen sie noch richtig cool aus.
»Passt doch perfekt«, dachten wir. »Das ist unser Song!« Wir nahmen den Clip mit unserem Rekorder auf, als er im Fernsehen lief, und dann
übten wir ohne Ende. Tag und Nacht guckten wir uns das Musikvideo an und wiederholten alles genau so, wie es die beiden Rap-Jungs aus
A merika vormachten. Sogar in Sachen Mode zogen wir mit: Kris Kross trugen ihre Jeans falsch herum – das heißt, die A rschtaschen waren
vorne. Wir kopierten den Look und gingen auch so zur Schule. Wir wurden zu kleinen Hip-Hoppern. »Meinst du, wir schaffen es zur Mini
Playback Show?«, fragte mich David nach ein paar Wochen des harten Performance-Trainings. »Na klar. Wir sind die Besten.« Ich war total
von uns überzeugt. Ich hätte wetten können, dass wir den ersten Platz machen würden. Das war einfach unser Ding. Wir nahmen die Sache
tierisch ernst und stritten uns mehrmals, weil jeder unbedingt seine Ideen umsetzen wollte – wie das halt so ist, wenn man für ein neues
Projekt brennt. »Ey, du musst mehr abgehen«, maulte ich beispielsweise an David rum. »Nein, ich will es eher cool machen«, war wiederum
er überzeugt. Einmal zofften wir uns so krass, dass meine Mutter dazwischengehen und uns beruhigen musste. Und bevor wir überhaupt eine
Zu- oder A bsage von der Mini Playback Show erhielten, fühlten wir uns schon wie richtige Stars. »Mann, wir sind die Krassesten«, war ich
überzeugt. Nachts träumte ich schon davon, was wohl hinter der Zaubertür mit uns passieren würde. Ich hatte die wildesten Vorstellungen
und fragte mich ständig, wie das denn überhaupt ging, dass man da nach ein paar Sekunden völlig verwandelt wieder rauskam. Eines
zumindest war mir absolut klar: Wir würden diesen Pokal nach Hause holen – wir hatten das Ding schon so gut wie gewonnen.
»Mama, könntest du bitte die A dresse von RTL herausfinden und uns anmelden?«, fragte ich aufgeregt, als wir unsere Show dann endlich
perfekt draufhatten. »Jaja«, antwortete sie desinteressiert wie immer und blätterte in einer ihrer Zeitschriften. Unser Enthusiasmus schien sie
nicht sonderlich zu beeindrucken. »Mama«, sagte ich, »das wird so cool, du darfst das auf keinen Fall vergessen. Du musst es versprechen.«
Und sie versprach’s. Von da an rannte ich Tag für Tag zum Briefkasten und wartete auf eine A ntwort von RTL. A ber es kam nichts. Immer
wieder guckte ich nach und fand nur die Briefe für
Weitere Kostenlose Bücher