Im Bus ganz hinten
die
Partyveranstalterin höchstpersönlich mit der Taschenlampe direkt ins A uge leuchtete, sah ich nur schwarz. Na toll, jetzt bin ich auch noch
blind, dachte ich und fühlte die altbekannte Panik in mir aufsteigen. A ls hätte ich nicht schon Probleme genug! Die Veranstaltertussi rief zum
Glück einen Notarztwagen, und ich wurde dann mit Blaulicht ins Benjamin-Franklin-Krankenhaus gefahren. Die Diagnose: ein Riss in der Iris.
Ich musste sofort operiert werden. »Wir werden Sie am A uge nähen müssen, Herr Losensky«, war das Letzte, was ich hörte, bevor sie mir die
Narkose gaben. Ich zählte bis fünf und war mutterseelenallein. Keiner war da, als ich einschlief. Erstaunlicherweise war ich so verliebt, dass
mein letzter Gedanke trotzdem positiv war: Zumindest dürfte Zaida durch das ganze Drama nun endlich mal auf mich aufmerksam geworden
sein …
»Patrick, geht’s dir gut?«, hörte ich eine besorgte Mädchenstimme fragen, als ich am nächsten Morgen langsam aus der Narkose erwachte. A ls
ich Zaida und Zwek so an meinem Krankenbett stehen sah, stellte ich freudig fest: Juhu, ich bin doch nicht blind! Die Welt war zwar noch
etwas verschwommen, aber ich war trotzdem happy. Und das Erste, was ich sah, waren Zaidas wunderschöne dunkle A ugen. Darin konnte ich
lesen, dass ihr unendlich leidtat, was sie mir angetan hatte. A nscheinend hatte sie richtig A ngst um mich gehabt. »Ich habe mir solche Sorgen
gemacht. Ich möchte mich von ganzem Herzen bei dir entschuldigen. Das war wirklich keine A bsicht. Ich weiß nicht, wie das überhaupt
passieren konnte«, sagte sie mit aufgeregter Stimme und nahm meine Hand. Triumphierend grinste ich zu Zwek rüber. Er tat, als ob er
meinen Blick gar nicht bemerkte. A ber besser wurde unsere Freundschaft durch diesen Vorfall nicht – ganz im Gegenteil. Nachdem ich wieder
aus dem Krankenhaus raus war, hatten wir immer weniger Kontakt. Er meldete sich nicht mehr bei mir und ich mich nicht mehr bei ihm.
Mama ist nicht stolz auf mich
Meine Mutter wollte ihrem abgeschobenen Heimkind anscheinend beweisen, dass sie doch keine Rabenmutter war, und so lud sie mich ab und
an in ihren neuen Laden ein. Sie hatte sich selbstständig gemacht und ein kleines Kosmetikstudio eröffnet. Mein Stiefvater Erich hatte ihr beim
A ufbau geholfen, und gemeinsam hatten sie den Laden wirklich schön eingerichtet. »Guck mal, ist das nicht toll?«, strahlte meine Mutter mich
an, als ich sie das erste Mal besuchen kam. »Davon habe ich doch immer geträumt.« Ich war echt glücklich, als ich sah, wie ihre A ugen
leuchteten. Ich gratulierte ihr ohne jeden Groll und freute mich darauf, ab jetzt öfter vorbeikommen zu können. Wer weiß, vielleicht bedeutete
ihr neues Leben auch einen Neuanfang für uns?
Doch schon bald stellte sich heraus, dass ich nicht immer willkommen war in ihrer kleinen, heilen Kosmetikwelt. Wenn ich unangemeldet
auftauchte, wimmelte sie mich gleich an der Tür ab: »Patrick, jetzt nicht. Du siehst doch, wie viel ich zu tun habe.« Und das hatte sie wirklich.
Der Laden lief bombig. In ihre Kasse kam richtig viel Geld. Trotzdem: A ndere Mütter hätten sich gefreut, wenn ihr Kind ab und zu mal
überraschend vorbeigekommen wäre. Meine Mutter dagegen gab mir immer nur das Gefühl, dass ich eine schreckliche Last für sie war. Die
A blehnung tat weh – ganz offensichtlich hatte ich noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir wieder eine Familie werden würden.
A us Trotz beschloss ich, mich beim nächsten Mal nicht mehr abwimmeln zu lassen und ihr einen Denkzettel zu verpassen. Wieder kam ich
unangemeldet, und als meine Mutter kurz in den Keller verschwand, um Kaffee zu holen, schlich ich mich an ihren Schreibtisch. Ich öffnete die
Kasse, griff nach einem 100-Mark-Schein, knüllte ihn schnell zusammen und steckte ihn in meine Hosentasche. »Ich geh dann mal wieder«,
sagte ich und war weg. Ein schlechtes Gewissen hatte ich nicht. Wieso auch? Erst mal hätte sie eines haben müssen – für alles, was sie mir
schon angetan hatte.
Ich beschloss, mir ab jetzt wöchentlich ein bisschen Taschengeld von ihr zu »holen« und mir davon Stifte oder Dosen zum Sprühen zu kaufen.
Gewissermaßen als Investition in meine Zukunft. Eine Zeit lang merkte meine Mutter nichts. Es war so viel Kohle in der Kasse, dass die kleinen
Verluste kaum auffielen. A ber irgendwann klingelte dann mein Handy: »Kommst du mal bitte in den Laden?!« Die Stimme meiner Mutter
klang
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