Im Café der moeglichen Traeume
keine Schriftstellerin. Nur so etwas Ãhnliches ⦠Na ja ⦠Und ja, vielleicht könnten Sie mir noch eine heiÃe Schokolade bringen, ohne Sahne diesmal, bitte.«
Wenn es schlecht läuft, werde ich vielleicht auch ein Protégé. »Nur so etwas Ãhnliches« vermittelt einen Eindruck davon, wie unklar mein Job definiert ist. Um nicht hinter dem illustren Nachbarn zurückzubleiben, nehme ich um 11:58 Uhr, nachdem ich weitere drei Euro ausgegeben habe, meinen Lebenslauf wieder zur Hand.
SCHULISCHER UND
BERUFLICHER WERDEGANG
Wenn mir irgendwelche Erwachsenen in die Wange gekniffen und sich erkundigt haben: »Was will sie denn mal werden, die Kleine?«, wusste ich nie genau, was ich antworten soll. Meist habe ich einfach irgendetwas erfunden. Ballerina, Krankenschwester, Friseurin, Kindergärtnerin, Archäologin oder auch SchweiÃerin mit einem so groÃen Herzen wie die in Flashdance . Vielleicht hätten meine Eltern es lieber gesehen, wenn ich Ingenieurin auf einer Ãlplattform oder Chemikerin oder Ãrztin gesagt hätte, aber in ihrer festen Ãberzeugung, dass Kinder sich frei fühlen müssen, ihre eigenen Neigungen zum Ausdruck zu bringen, mischten sie sich nie ein. Sie sind beide 1951 an zwei aufeinanderfolgenden Tagen geboren, arbeiten beide im öffentlichen Krankenhaus und könnten, wenn man vom unbestreitbaren Vorteil eines gemeinsamen Arbeitswegs mal absieht, unterschiedlicher nicht sein. Mama ist Gynäkologin, arbeitet auÃerdem an drei Nachmittagen in der Woche in einer Beratungsstelle und hat ein Zentrum für minderjährige Mütter gegründet, wo sie ehrenamtlich tätig ist. Sie ist eine starke Frau und stolz darauf, nichts mit dem zu tun zu haben, das sie mit dem Wort »Ordnung« belegt. Ihre Kochkünste sind bescheiden, ihre Weigerung, einen Hund anzuschaffen, hat sie bei allen meinen Geburtstagen konstant durchgehalten, und bei den Hausaufgaben hat sie mir nie geholfen. Ansonsten ist sie die perfekte Mutter. Intellektuell über jeden Zweifel erhaben ist ihr das Unglück widerfahren, eine Vorliebe für Serien mit Karrierefrauen, windigen Männern, komplizierten Ehen, wunderbaren Müttern, schlechten Vätern und Kindern mit Beziehungsproblemen zu entwickeln. Angeblich hat es etwas Entspannendes, Leute zu sehen, denen es schlechter geht als ihr.
Papa ist Kardiologe und sammelte Drucke und Bilder mit nur einem einzigen Motiv: Herzen.
Als Studenten waren meine Eltern überzeugt davon, eine Revolution zu machen. Inwiefern ihnen das gelungen ist, weià ich nicht, aber zumindest die Legende um meine Zeugung erhält durch einen schnellen Ãberschlag eine gewisse Wahrscheinlichkeit: Am Tag ihrer Examensparty haben sie gefeiert, und, benebelt vom Alkohol und vielleicht noch von anderen Dingen, ist es dann geschehen. Papa war damals ein attraktiver Mann. Er trug die Haare in einem Pferdeschwanz und war fest entschlossen, ein Leben im Zeichen der Intensität zu führen. Wenn sie in Bekennerlaune ist und ihren Groll vergisst, erzählt Mama, dass er sie mit seiner Intensität erobert hat, ohne sich näher darüber auszulassen, in welchem konkreten Sinn. Im GroÃen und Ganzen würde ich meine Familie als herzliches Miteinander zerstreuter Individuen charakterisieren, ein kompliziertes Liebesnest, in dem sich gelegentlich Schlangen tummelten, von denen man aber nicht wusste, dass sie giftig sind. Platz für Sentimentalitäten war nie, aber wenn man von den notorischen Generationenkonflikten absieht, mögen wir uns wahnsinnig gern, und zwar immer noch, obwohl sie sich längst haben scheiden lassen und ich in meiner bescheidenen Wohnung alleine lebe â drei Zimmer auf achtundfünfzig Quadratmetern â, die meine GroÃmutter mir hinterlassen hat, zusammen mit einem bewegenden Brief an Mama.
Danke, GroÃmutter.
Die groÃe Liebe, die meine Eltern verband, war im Immatrikulationsbüro geboren worden und starb vor sieben Jahren, als das Gerücht ging, meine Mutter könne zur Chefärztin ernannt werden. Plötzlich begann mein Vater â ob nun aus Konkurrenzdenken heraus oder rein zufällig â verrückt zu spielen, bester Beweis dafür, dass zu viel Gleichheit zwischen Mann und Frau in vielerlei Hinsicht kontraindiziert ist, auch wenn man sie stets als grundlegende Errungenschaft der Generation meiner Eltern preist.
Damals geschah es, dass Papa bei einem
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