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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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stürzen. Benny Evers, Maschinist, sechsundfünfzig Jahre alt, von denen er zweiunddreißig bei Polaroid verbracht hatte, war wegen seiner Arbeitslosigkeitsversicherung gezwungen, auf Jobsuche zu gehen, obwohl er klarerweise keinen mehr finden würde. Er hatte sich in sich selbst zurückgezogen und stritt ständig mit seiner Frau. Sein Freund Henk Minnen, 57, Ingenieur, hatte einen Job als Hilfspfleger in einer Alzheimer-Klinik annehmen müssen; Paul Latka, 51, hatte seine Entlassung nicht gut verkraftet; Martin Steinmeijer, 51, Chemiker, war nach einer Herzoperation in einer Reha-Maßnahme; Gerard Kamphuis, 56, Elektriker, hatte eine gutbezahlte Arbeit in einer Baufirma gefunden. Wie seine Kollegen konnte er dem Abenteuer aber nicht widerstehen. In der großen stillen Fabrikhalle in Enschede geht die Arbeit weiter. Von siebzehn Fließbändern sind noch neun in Betrieb.
    Wenn das nicht ein Fall von Serendipität ist! Kaps war zu einer Beerdigung gegangen und hatte dort neues Leben gefunden, was er nicht zuletzt seiner Verrücktheit verdankte.
    Sollte ich ihm vielleicht meinen Lebenslauf schicken?
    Dass ich bei Breston & Partners gelandet bin, hat im Grunde auch mit Serendipität zu tun. In einer Epoche, in der man gar nicht existiert, wenn man nicht online ist, fand ich meinen Job aufgrund einer zufälligen Information, ein klassischer Fall von Mundpropaganda: Ein Freund sagt es einem Freund, der es zufällig der Oberschwester der Gynäkologie weitererzählt, die wiederum meine Mama sehr schätzt, welche ich just an jenem Tag aufsuche, weil ich mir den Knöchel verstaucht habe und nicht weiß, was ich sonst tun soll – und bei B & P suchen sie eine Pressereferentin, die weder zu jung noch zu hoch qualifiziert ist und vor allem nicht viel kostet.
    Ich habe einen Orthopäden gesucht und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, dachte ich nach meinem Anruf dort und schoss mit Selbstauslöser ein Foto von mir, das ich neben die Größen der Serendipität an den Kühlschrank hängte.
    Heute Abend werde ich auch die Bilder von Florian und André dort aufhängen. Ich reiße die Seite aus der Zeitschrift heraus und bin euphorisch. Zum ersten Mal seit Stunden rühre ich nicht mehr in der Vergangenheit herum. Meine Großmutter habe ich nie jammern hören, nicht einmal, als ihr Augenlicht schlechter wurde und sie Taschenbücher mit zu kleiner Schrift nicht mehr lesen konnte. »Romane, Kreuzworträtsel und Todesanzeigen halten mich fit«, sagte sie immer.
    Sie hing an der Gegenwart.
    Entweder werde ich optimistisch.
    Oder ich bin dämlich.
    Während ich meinen letzten Espresso trinke, muss ich unwillkürlich denken, dass die Zukunft keine Bedrohung darstellt.
    Ab heute kann ich in den Urlaub fahren, wann immer ich will, meine Freunde sehen, wann immer ich will, ins Bett gehen, wann immer ich will, aufstehen, wann immer ich will…
    Sarahs SMS holt mich in die Wirklichkeit zurück.
    Sie ist schon vor zehn Minuten eingetroffen.
    Heute Abend ab neun Party in der Agentur. Ich erwarte dich. Du kannst jemanden mitbringen, ist open . Ich habe ein Geschenk für dich. Wärst du so freundlich, mich anzurufen?
16:22
    Der letzte Ort auf der Welt, wo ich gerne den Abend verbringen möchte, ist eine Agentur, wo man auf Biegen und Brechen gut gelaunt sein und mit irgendetwas angeben können muss. Wenn man traurig ist, möchte man mit Leuten zusammen sein, die genauso traurig sind, und bei Weihnachtsfeiern laufen nur dynamische, erfolgreiche Leute herum, die dich sowieso nur das eine fragen. Nicht wie wir es als Kinder immer getan haben: »Wie heißt du?«, »Auf welche Schule gehst du?«, »Wo wohnst du?« oder so etwas. Nein, die erste Frage lautet stets: »Und was machst du ?«
    Und wenn man jemanden trifft, den man kennt, fragt man: »Wie geht’s? Alles in Ordnung? Was machst du so?« Andere Fragen kommen den Leuten gar nicht in den Sinn, also etwa: »Schläfst du zusammengerollt auf der Seite, oder schläfst du auf dem Rücken?«, »Wie viel Zucker nimmst du in den Kaffee?«, »Für welche Fußballmannschaft bist du?«, »Fährst du über die Feiertage weg?« Oder konkreter: »Wie viele Mitarbeiter hat man denn bei euch geschasst?« Keine dieser Optionen wird auf Weihnachtsfeiern von Werbeagenturen in Betracht gezogen. Gesetzt den Fall du sagst, du studierst, fragen sie

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