Im Dienst des Seelenfängers
den Wahnvorstellungen eines irrsinnigen Künstlers entsprungen. Die oberste Schicht der toten Rebellen lag da, als ob sie unter schrecklichen Qualen gestorben seien. Ihre Anzahl ließ sich nicht einmal schätzen.
Wir stiegen über die Pyramide auf. Der Tod war um sie herum auf den Turm zugefegt. Das Tor stand offen. In seinem Schatten lagen Rebellenleichen. Sie waren eingedrungen.
Auf der Pyramide befand sich nur eine Handvoll Leichen, die alle zu den Rebellen gehörten. Meine Kameraden mußten es bis in den Turm geschafft haben. In den gewundenen Korridoren waren sie immer noch am Kämpfen. Das Gebäude war für ein rasches Überwinden zu gewaltig. Ich lauschte, konnte jedoch nichts hören. Dreihundert Fuß ragte der Turm über uns auf. Wir konnten nicht höher steigen… Eine Ge- stalt erschien oben und winkte. Sie war klein und trug einen braunen Mantel. Ich klappte den Mund auf. Mir fiel nur ein Unterworfener ein, der Braun getragen hatte. Hinkend kam er zu einem besseren Aussichtspunkt und winkte immer noch. Der Teppich stieg mühsam auf. Noch zweihundert Fuß. Einhundert. Ich sah auf das Panorama des Todes hinunter. Eine Vier- telmillion Menschen? Unfaßbar. Zu gewaltig, daß es wirklich etwas bedeutet hätte. Selbst als der Dominator auf dem Höhepunkt seiner Macht stand, hatte es Schlachten dieses Ausmaßes nicht gegeben…
Ich sah kurz zur Lady. Sie hatte dies in die Wege geleitet. Jetzt würde sie die uneinge-
schränkte Herrscherin über die Welt sein – wenn der Turm die darin tobende Schlacht über- stand. Wer konnte sich ihr dann noch in den Weg stellen? Die Männer eines Kontinentes la- gen tot unter uns…
Ein halbes Dutzend Rebellen kam aus dem Tor herausgestürmt. Sie schössen mit Pfeilen auf uns. Nur einige wenige erreichten kraftlos die Höhe des Teppichs. Die Soldaten stellten den Beschüß ein und warteten ab. Sie wußten, daß wir in Schwierigkeiten waren. Fünfzig Fuß. Fünfundzwanzig. Auch mit Hilfe des Hinkers hatte die Lady ihre liebe Mühe. Ich zitterte im Wind, der drohte, uns gegen den Turm zu werfen. Mir fiel der lange Sturz des Heulers ein. Wir waren jetzt genauso hoch, wie er gewesen war. Ich sah kurz auf die Ebene und entdeckte die Forvalaka. Sie hing schlaff an ihrem Kreuz, aber ich wußte, daß sie noch am Leben war. Männer gesellten sich zum Hinker. Einige hatten Seile bei sich, andere Lanzen oder lange Stangen. Wir stiegen immer langsamer auf. Es wurde geradezu lachhaft spannend; der sichere Hafen war fast in Griffweite, aber eben nur fast. Ein Seilende fiel mir in den Schoß. Ein Feldwebel der Garde brüllte: »Bind sie daran fest.« »Was ist mit mir, Arschloch?« Ich bewegte mich mit dem Tempo eines wachsenden Felsens; ich hatte Angst, das Gleichgewicht des Teppichs zu gefährden. Kurz spielte ich mit dem Ge- danken, einen falschen Knoten zu knüpfen, der sich unter Zug öffnete. Ich mochte die Lady nicht mehr besonders. Wenn es sie nicht mehr gab, würde die Welt besser dran sein. Fänger war eine mörderische Ränkeschmiedin gewesen, deren Ehrgeiz Hunderte in den Tod ge- schickt hatte. Sie hatte ihr Schicksal verdient. Um wieviel mehr dann diese Schwester, die Tausende über die Schattenstraße gejagt hatte? Ein zweites Seil baumelte herab. Ich knotete mich fest. Wir waren fünf Fuß von der Spitze entfernt und konnten nicht mehr höher. Die Männer an den Seilen zogen an. Der Teppich stieß gegen den Turm. Stangen kamen herunter. Ich packte eine. Unter mir rutschte der Teppich weg.
Eine Sekunde lang glaubte ich, ich wäre so gut wie tot. Dann zog man mich hinauf. Man sagte mir, daß unten heftige Kämpfe tobten. Der Hinker beachtete mich überhaupt nicht und hastete davon, um sich wieder in das Getümmel zu stürzen. Ich streckte mich nur auf dem Turm aus und war froh, in Sicherheit zu sein. Ich machte sogar ein kurzes Nicker- chen. Ich erwachte allein mit dem Nordwind und einem schwach leuchtenden Kometen über dem Horizont. Ich stieg hinab, um das Ergebnis des Endspiels vom Großen Plan der Lady zu erfahren.
Sie siegte. Von hundert Rebellen überlebte kaum einer, und von denen hatten sich die mei- sten schon früh abgesetzt.
Der Heuler hatte mit den von ihm abgeworfenen Kugeln Krankheit verbreitet. Kurz nach- dem die Lady und ich die Verfolgung von Seelenfänger aufgenommen hatten, erreichte sie ihr kritisches Stadium. Die Zauberer der Rebellen konnten nichts Nennenswertes dagegen aus- richten. Daher auch die dahingemähten Toten.
Dennoch erwiesen sich viele
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