Im Dienste der Comtesse
nach Bath, verlieren Sie ihn nicht.“ Er wartete, bis Robson auf einem der Mietpferde davongeritten war, dann ging er los, um ein wenig mit den Bediensteten des Gasthauses zu plaudern.
„Das ist der Comte Ferradou. Er fährt für einen längeren Aufenthalt nach Bath“, erklärte ein älterer Stallbursche. „Besonders hübsch kommt er mir nicht vor, nicht wahr? Aber die Damen scheinen ihn zu mögen. Sogar die verheirateten, wie man hört.“
„Verheiratete Damen?“, fragte Pierce mit ermutigendem Lächeln nach.
„Eine in London auf jeden Fall, übrigens mit einem sehr eifersüchtigen Ehemann. Der Comte muss sich ganz schön anstrengen, um nicht den Verdacht des Ehemanns zu erregen. Und Molly hat mitbekommen, dass er auch ein Auge auf eine Erbin in Bath geworfen hat. Dürfte seine Chancen nicht gerade verbessern, wenn die von seinem Techtelmechtel mit einer verheirateten Frau erfährt.“ Achselzuckend verschwand er wieder im Stall.
Pierce dachte über das nach, was er herausgefunden hatte. Jean-Baptiste hatte den ursprünglichen Erpresserbrief überbracht. Dieser Brief war auf Latein geschrieben, und sie hatten fälschlicherweise gedacht, die alte Sprache sei ein Versuch gewesen, den Inhalt vor dem überbringenden Bediensteten geheim zu halten. Aber von Laurette hatte Pierce erfahren, dass Mönche Jean-Baptiste erzogen hatten. Man konnte durchaus davon ausgehen, dass er, ein Findelkind, bei den Mönchen Latein gelernt hatte.
Das Lösegeld war von einem älteren Mann abgehoben worden – Jean-Baptiste in seiner Verkleidung. In Bath nun trat er als Comte auf, der es offenbar auf eine Erbin dort abgesehen hatte. Alles wies allmählich darauf hin, dass Jean-Baptiste nie für einen anderen gearbeitet hatte, sondern nur für sich selbst.
Er war immer Bote und Erpresser gewesen, hatte mehrere Rollen gespielt.
Zum ersten Mal, seit La Motte ihm von dem Erpresserbrief erzählte, hatte Pierce das Gefühl, der Lösung des Problems greifbar nahe zu sein. Er gab das zweite Mietpferd zurück und wartete in dem Gasthaus, in dem er zuerst gewesen war, auf Mélusine und ihre Begleiter.
Es sollte noch eine halbe Stunde dauern, bis La Mottes Kutsche in den Innenhof einfuhr. Pierce hatte zwar nicht mit Schwierigkeiten auf dem Weg gerechnet, trotzdem war er erleichtert über ihre Ankunft. Noch bevor Bedienstete die Tür öffnen konnten, tat er dies selbst und klappte den Tritt herunter. Als Mélusine nicht augenblicklich ausstieg, beugte er sich besorgt in die Kutsche. Sie saß kerzengerade da und versuchte angestrengt tief durchzuatmen. Sie war kreidebleich.
Mit einer Mischung aus Erleichterung und Furcht sah sie Pierce an. „Ist es Jean-Baptiste?“, fragte sie gepresst.
„Ja. Was hast du?“
„Nichts“, behauptete Mélusine.
„Madame fühlt sich ein wenig unwohl wegen der Fahrt in der Kutsche“, schaltete sich Saint-André ein. „Ihr wird es gleich besser gehen, sobald sie sich etwas ausgeruht hat.“
Sie presste die Lippen aufeinander und schluckte. „Ich werde nie reisekrank“, verteidigte sie sich.
„Es ist das erste Mal, dass Sie mehr als drei Tage ununterbrochen gereist sind und dabei kaum geschlafen haben“, gab Saint-André zu bedenken.
Sie runzelte die Stirn. „Sie und Pierce waren genauso lange unterwegs.“
„Gewohnheit“, erwiderte Pierce und war froh, dass ihre Unpässlichkeit nichts Schlimmeres war. „Komm.“ Er bot ihr seine Hand.
Mélusine ergriff sie und stieg vorsichtig aus. Sie zitterte ein wenig und war nicht ganz sicher auf den Beinen. Pierce hatte bereits einen Salon reserviert, wo sie ungestört reden konnten, und führte sie nun dorthin.
Er half ihr, sich in einen Sessel zu setzen. „Möchtest du etwas Tee?“, fragte er.
Sie zögerte. „Ich kann es ja mal versuchen“, antwortete sie, starrte aber weiterhin angestrengt auf den Boden.
Pierce warf nun Saint-André einen Blick zu. Der Marquis wirkte genauso blass und erschöpft wie Mélusine. Seit seiner Befreiung aus der Bastille war erst gut eine Woche vergangen, und die acht Monate davor hatte er kaum die Möglichkeit gehabt, sich körperlich zu ertüchtigen. Dass er sich jetzt trotzdem mit der gewohnten Anmut bewegte, war ein Beweis für sein enormes Durchhaltevermögen.
„Erzählen Sie uns von Jean-Baptiste“, bat Saint-André. „Wo ist er jetzt?“
„Auf dem Weg nach Bath, Robson folgt ihm.“ Pierce berichtete, was er gesehen und was er von dem Stallburschen erfahren hatte.
„Ich wusste , dass es
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