Im Dreieck des Drachen
Jacks Stimmung wieder düsterer. »Wer hat angerufen?«
Eine lange Pause. »Admiral Mark Houston.«
Jack hatte das Gefühl, als hätte ihm gerade jemand einen Hieb in die Magengrube versetzt. Sein ehemaliger Kommandant auf See. »W … Was? Warum?« Er hatte gehofft, diesen Namen nie mehr hören zu müssen. Dieses Leben hatte er hinter sich gelassen.
»Er hat uns zu bestimmten Koordinaten beordert. Etwa vierhundert Seemeilen von hier, und …«
Jack ballte die Fäuste und warf dazwischen: »Uns beordert? Sag ihm, er soll sich seine Order in den …«
Jetzt ging George dazwischen. »Es hat einen Flugzeugabsturz gegeben. Es wird gerade eine Bergungsoperation auf die Beine gestellt.«
Jack biss sich auf die Lippe. Die Navy hatte alles Recht, seine Hilfe anzufordern. Die Deep Fathom war als Bergungsschiff registriert. Dennoch zitterten seine Hände.
Alte Erinnerungen und Gefühle loderten hell in ihm auf. Ihm fiel wieder ein, mit welcher Ehrfurcht er das Shuttle Atlantis in Floridas Sonnenschein hatte erstrahlen sehen, und er dachte an den Stolz, den er verspürt hatte, als er erfahren hatte, dass er der erste Navy- SEAL sein würde, der in diesem Vogel fliegen würde. Aber dunklere Erinnerungen überschatteten diese angenehmen: Flammen, sengender Schmerz … eine Hand in einem Handschuh, die nach ihm griff, kreischende Stimmen … rutschen, stürzen … ein endloser Fall.
Auf seinem Sitz in der Nautilus hatte Jack immer noch das Gefühl, er würde fallen.
»Hast du mich verstanden, Jack?«
Er zitterte, unfähig zu atmen, geschweige denn zu antworten.
»Jack, das abgestürzte Flugzeug … Es ist die Air Force One.«
2
DIE DRACHEN VON OKINAWA
25. Juli, 6.30 Uhr
Naha, Okinawa, Japan
KAREN GRACE DUCKTE sich hinter eine Mülltonne, um nur ja nicht von der Militärpatrouille entdeckt zu werden. Zwei bewaffnete Soldaten mit Taschenlampen in den Händen schlenderten heran. Einer blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Karen hielt den Atem an und betete, dass sie bald weitergingen. Im Schein der Streichholzflamme erkannte sie das Emblem auf dem Ärmel. US NAVY.
Nach den gestrigen Erdbeben war über sämtliche japanische Präfekturen das Kriegsrecht verhängt worden, auch über die südliche Inselkette von Okinawa. Plünderer hatten die Stadt und die umliegenden Gebiete heimgesucht. Die Inselbehörden waren vom Ausmaß der Zerstörung und des Chaos völlig überfordert und hatten um Unterstützung der hier ansässigen amerikanischen Militärbasis beim Aufräumen, bei den Rettungsarbeiten und beim Schutz der zerstörten Stadt ersucht.
Die Behörden hatten für Naha eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, und Karen verstieß gerade gegen diese neue Anordnung. Die Sonne würde erst in einer halben Stunde aufgehen.
Bleibt in Bewegung … geht weiter!, drängte sie die beiden im Stillen.
Als hätte er sie gehört, leuchtete einer der Männer mit seiner Taschenlampe die Gasse hinab. Karen erstarrte und schloss die Augen. Sie hatte Angst, dass er sie bemerken würde, wenn sie sich rührte. Sie trug eine bestickte dunkle Jacke und schwarze Slacks, wünschte sich jedoch, sie hätte daran gedacht, ihr blondes Haar zu bedecken. Sie kam sich vor wie auf dem Präsentierteller und war sich sicher, dass die beiden Soldaten sie entdecken würden. Endlich verschwand das Licht.
Karen öffnete die Augen und hörte dann noch ein Gemurmel, gefolgt von einem kurzen Auflachen. Ein grober Scherz. Die beiden setzten ihren Patrouillengang fort. Erleichtert ließ sie sich gegen die Mülltonne sinken.
Tiefer aus den Schatten flüsterte ihr eine Stimme zu: »Sind sie weg?«
Karen schob sich hoch. »Ja, aber das war verdammt knapp.«
»Wir sollten das nicht tun«, zischte ihre Begleiterin und kroch mühsam aus den Schatten heraus.
Karen half Miyuki Nakano auf. Ihre Freundin fluchte unterdrückt, und zwar sehr überzeugend, wenn man berücksichtigte, dass Englisch nicht ihre Muttersprache war. Die japanische Universität, an der sie eine Professur innehatte, hatte sie für zwei Jahre zu einer Internetfirma in Palo Alto beurlaubt, und dort hatte sie fließend Englisch gelernt. Aber hier, als sie jetzt unter einem Stapel alter Zeitungen und einem Haufen verfaultem Gemüse hervorkroch, war die zierliche Dozentin eindeutig fehl am Platz. Miyuki verließ selten ihr steriles Computerlabor an der Ryukyu-Universität und wurde ebenso selten ohne ihren gestärkten und gebügelten Laborkittel gesichtet.
An diesem Morgen war jedoch
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