Im Dreieck des Drachen
lesen. »Unsere Presseakkreditierung ist uns von den hiesigen Behörden erteilt worden.«
Der Soldat beugte sich näher heran, verglich Karens Gesicht mit dem Foto auf der Karte und nickte, als wäre er zufrieden gestellt. Er war zu sehr Macho, um zuzugeben, dass er die japanischen Schriftzeichen nicht lesen konnte.
Karen steckte ihre Karte wieder ein und stellte in hochoffizieller Weise Miyuki vor: »Sie ist meine Verbindung zur örtlichen Presse sowie die Fotografin. Wir machen überall auf den japanischen Inseln Fotos. Unser Schiff lichtet zur Morgendämmerung den Anker, dann geht’s zu den Inseln weiter draußen bis nach Taiwan. Wir müssen uns wirklich beeilen.«
Der Soldat wirkte nach wie vor misstrauisch. Er hatte ihre Geschichte schon fast geschluckt, aber nur fast. Völlig überzeugt war er noch nicht.
Bevor Karen allerdings weitermachen konnte, zog Miyuki den Reißverschluss an der Tasche auf und holte die Digitalkamera heraus. »Eigentlich haben wir sogar ein bisschen Glück gehabt, dass wir auf Sie gestoßen sind«, sagte sie in schneidigem Englisch. »Ms Grace wollte gerade sagen, dass sie gern ein paar der Dienst tuenden Soldaten auf den Film bannen wollte, um zu zeigen, wie die Vereinigten Staaten dabei helfen, in dieser Zeit des Chaos die Ordnung aufrechtzuerhalten.« An Karen gewandt nickte sie zu dem Soldaten hin. »Was meinst du?«
Karen war fassungslos angesichts der plötzlichen Unverfrorenheit der kleinen Computerdozentin. Sie räusperte sich und überlegte rasch. »Ähm … ja, für einen Kasten in dem Artikel über amerikanische Friedensschützer.« Sie reckte den Hals und musterte mit nachdenklicher Miene den Mann. »Er sieht genauso aus wie der typische Amerikaner, den wir gesucht haben.«
Miyuki hob die Kamera und richtete sie auf den Soldaten. »Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Ihr Bild in allen Zeitungen im ganzen Land zu sehen ist?«
Inzwischen hatte der Marinesoldat große Augen bekommen. »Wirklich?«
Karen verbarg ein Lächeln. Sie kannte keinen einzigen Amerikaner, den die Aussicht, eine Berühmtheit zu werden, nicht verlockt hätte. Und um in diese Reihen vorzustoßen, wurde oft der gesunde Menschenverstand über Bord geworfen.
Miyuki schritt um den Soldaten herum und musterte ihn aus mehreren Blickwinkeln. »Ich kann es nicht garantieren. Es hängt von den Chefredakteuren beim Time Magazine ab.«
»Wir machen mehrere Fotos«, entschied Karen. »Eines davon wird bestimmt angenommen.« Sie rahmte den Mann zwischen ihren Fingern ein und legte damit den Ausschnitt fest. »Amerikanischer Friedensschützer … Ich glaube, das wird klappen.«
Miyuki machte mehrere Fotos, für die der Soldat mehrere Posen einnehmen sollte. Anschließend schob sie ihre Kamera wieder in die Tasche und ließ sich Name und Kennnummer geben. »Wir werden Ihnen ein Foto zur Freigabe zufaxen. Aber, Harry, es muss vor Ende der Woche wieder bei uns in New York sein.«
Der Mann nickte heftig. »Natürlich.«
Karen warf einen Blick zum heller werdenden Himmel hinauf. »Miyuki, wir müssen wirklich weiter. Das Presseschiff sollte jede Minute die Anker lichten.«
»Ich kann Sie zum Hafen bringen. Ich muss sowieso zur Bucht hinunter.«
»Vielen Dank, Harry«, sagte Miyuki. »Wenn Sie uns bis Kai vier bringen könnten, wäre das wunderbar.« Sie lächelte ihn strahlend an, wandte sich daraufhin an Karen und verdrehte die Augen. »Gehen wir! Wir wollen doch nicht zu spät kommen.«
Angeführt von dem Marinesoldaten eilten sie zur Bucht. Die graue Dämmerung warf einen matten Silberglanz über das Wasser. Kreischende Seemöwen tauchten zwischen den Gebäuden und Schiffen am Kai hinab. Überall lagen Wracks im Wasser, Schiffe und Boote, die während der Beben gegen die Docks und Riffe geschleudert worden waren. Kräne und schweres Gerät waren bereits in Stellung gebracht. Die Bucht war die Lebensader der Insel und musste so schnell wie möglich geräumt werden.
Als die Sonne über den östlichen Horizont stieg, erreichten sie den Eingang zum Bootshafen. Erneut dankten Miyuki und Karen Harry und verabschiedeten sich.
Sobald der Marinesoldat gegangen war, eilten die beiden über die lange Bohlenbrücke.
Karen warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass der Soldat auch wirklich verschwunden war. Keine Spur mehr von ihm. Sie entspannte sich und wandte sich Miyuki zu, die sich die Kameratasche höher die Schulter hinaufschob. »Du bist mir ein Rätsel.«
Miyuki lächelte, das
Weitere Kostenlose Bücher