Im Dreieck des Drachen
lehnte sich an die feuchte Felswand. Solange sie still dasaßen, wären sie in Sicherheit, überlegte sie. Wenn einer der Männer versuchte, hier hereinzukriechen, könnte sie ihn leicht mit einem einzigen Schuss erledigen.
Die beste Verteidigung war gegenwärtig Warten.
Die Männer draußen waren still geworden. Karen vernahm ein Scharren und Kratzen, fand jedoch nicht heraus, was genau sie taten. Ganz leise kroch sie zum Tunnel hinüber und spähte hinaus.
Im hellen Sonnenschein sah sie, wie der Inhalt eines verrosteten Metallkanisters in den Tunneleingang gegossen wurde. Der Gestank drang ihr in die Nase, und im gleichen Moment drückte ihr die Erkenntnis das Herz ab.
Kerosin!
Die leicht entzündliche Flüssigkeit floss den schrägen Tunnel entlang auf sie zu. Karen legte die Hand über den Mund, um sich gegen die aufsteigenden Dämpfe zu schützen. Die Plünderer wollten sie ausräuchern oder umbringen! Sie wich zurück. Sie durfte nicht wagen zu schießen, denn ein einziger Funke könnte das Kerosin entzünden.
Sie stieß gegen Miyuki, die hinter ihr stand. Ihre Freundin hielt den kleinen Computer in der Hand und tippte wild auf den winzigen schimmernden Bildschirm ein.
»Ich versuche, Gabriel zu erreichen«, sagte sie finster und ganz sachlich. »Einen Hilferuf abzusetzen, aber die Interferenzen sind zu stark.«
Karen war überrascht von dem schlauen Einfall. »Wie wär’s, wenn du näher am Eingang stehen würdest?«
Miyuki warf einen Blick zur Öffnung hinüber. »Könnte was bringen«, meinte sie.
Als der Computerbildschirm ganz kurz die Schlange mit den Rubinaugen auf dem Altar erhellte, wurde Karens Blick erneut zu ihr hingezogen. Sie glich aufs Haar der Tätowierung auf dem Arm ihres Angreifers. Bestand da eine Verbindung? Aber welche? Die Pyramide war seit Jahrhunderten von diesen Gewässern überschwemmt gewesen!
Miyuki war, mit Karen an ihrer Seite, näher an den Eingang herangerückt. Das Kerosin strömte jetzt in die Kammer. Karen spähte zu dem umgekippten Kanister hinaus. Die Männer waren nicht zu sehen, doch nach wie vor zu hören. Sie neigte den Kopf und horchte. Sie sangen – oder intonierten – etwas.
Zitternd gab sie Miyuki ein Zeichen. »Beeilung!«
Ihre Freundin kniete in dem Strom der leicht entzündlichen Flüssigkeit nieder. Ihre Hände zitterten. Sie ließ sich auf den Bauch fallen, hielt den Computer auf Armeslänge in den Tunnel und suchte das drahtlose Signal. »Ich erkenne kaum den Monitor.«
»Versuch’s einfach. Wir müssen …«
»Guten Tag, Professor Nakano.« Gabriels Stimme war laut wie eine Explosion.
Miyuki erstarrte. »Gabriel?«
»Ich sammle kontinuierlich Ihre Daten und korreliere sie. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?«
Der Singsang draußen vor dem Tunnel ging ununterbrochen weiter. Die Männer hatten von ihrem Gespräch nichts mitbekommen.
»Kannst du feststellen, wo wir uns befinden?«
»Natürlich. Mein GPS funktioniert tadellos, Professor Nakano.«
»Dann nimm bitte Kontakt zu den Behörden von Chatan auf. Sag denen, dass wir hier von Plünderern angegriffen werden.«
Bevor Gabriel diesen Befehl bestätigen konnte, brach der Singsang draußen schlagartig ab. Karen umklammerte Miyukis Arm – eine Warnung, sie solle schweigen. Miyuki riss ihren Computer zurück, und die beiden Frauen wälzten sich zur Seite. Karen sah erneut das Gesicht des ersten Mannes im Tunneleingang auftauchen. Diesmal hielt er keine Taschenlampe in der freien Hand, sondern ein Zündholz.
Jetzt wurde die Zeit knapp.
Er riss das Hölzchen am Stein an. Karen sah die winzige Flamme. Der Mann hielt das Hölzchen in die Höhe und rief ihnen erneut etwas zu. Seine Worte hörten sich fast bedauernd an. Dann warf er es in den Tunnel hinein.
Nordwestlich des Enewak-Atolls, Zentralpazifisches Becken
»Dir geht allmählich die Luft aus, Jack«, warnte Lisa über den Sprechfunk. Seit der Störung hatte ihre Stimme gereizt geklungen, und sie hatte ihn jede Minute gerufen.
»Weiß ich«, fauchte er zurück. »Ich habe meine Sauerstoffanzeige im Blick.« Jack betätigte die Pedale seines Tauchboots, während er gleichzeitig die Kontrollhebel für die Greifarme handhabte. Er zog ein großes Rumpfteil aus dem Weg. Schlamm wirbelte auf und versperrte ihm die Sicht. Er war jetzt seit fast einer Stunde an der Arbeit, hatte die Trümmer durchwühlt und war dabei den Signalen der Blackboxes gefolgt. Jack ließ das verdrehte Metallstück los, drehte das Boot um und
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