Im Dreieck des Drachen
aus zusammengesetzten Blöcken wie die Mauern. Sie kroch los, begann an dem warmen Stein und zielte auf das Treppenhaus, wobei sie das Wasser und den Schutt beiseitewischte. Er musste hier irgendwo sein!
Ihre Finger streiften über etwas Raues auf dem glatten Stein. Einen Herzschlag lang erstarrte sie, dann rieb sie über die Stelle und stieß dabei ein Gebet aus.
Miyuki kniete neben ihr nieder. »Was ist?«
Karen wich zur Seite. »Das Arschloch der Schlange.«
In den glatten Block war etwas eingeritzt: eine sternförmige Vertiefung.
»Hol mir den Kristall!«
Rasch holte Miyuki ihren Beutel, öffnete den Reißverschluss der Seitentasche und zog den sternförmigen Kristall hervor. Dazu musste sie beide Hände benutzen. Stöhnend schleppte sie ihn zu Karen. »Hier.«
Karen wälzte sich auf den Bauch und schob den Stern in die Vertiefung. Er passte perfekt. Sie hielt den Atem an und wartete gespannt.
Nichts geschah.
Karen richtete sich auf ihren Knien auf. »Was stimmt da nicht? Was machen wir nicht richtig?«
»Vielleicht ist der Mechanismus hinüber.«
Diese Möglichkeit wollte sie nicht einmal in Betracht ziehen. Sie wusste, dass der untere Gang mittlerweile völlig überflutet war. Es gab kein Zurück mehr. Sie saßen hier in der Falle. Sie spürte Tränen in ihre Augen treten, und die Kehle schnürte sich ihr zusammen.
»Wie sollte der Kristall den Geheimgang auslösen?«, fragte Miyuki, die immer noch über das Rätsel nachgrübelte.
»Ich … ich weiß nicht so recht.«
»Hast du nicht irgendwas davon gesagt, dass der andere Mechanismus druckempfindlich war?«
Miyukis Worte durchdrangen Karens Mauer der Hoffnungslosigkeit. Ihr fiel wieder ein, wie der Altarstein an seinen Platz in der Decke zurückgekehrt war, nachdem Miyuki herabgesprungen war. Der Mechanismus musste druckempfindlich gewesen sein und auf die Gewichtsänderung reagiert haben.
Karen starrte auf den Kristall hinab. Er war schwer, ungewöhnlich schwer. Aber wenn die Geheimtür durch Gewicht ausgelöst wurde, warum war sie dann beim Darübergehen nicht ausgelöst worden?
Dann dämmerte es ihr.
»Runter! Runter!«, schrie sie Miyuki an und winkte sie vom Steinblock und dem Kristall herab. »Wir wiegen zu viel!«
»Was?«, fragte sie, wich jedoch zurück.
Karen trat über die Kante des Blocks. »Er muss gegen das Gewicht des Kristalls ausbalanciert werden. Nicht mehr, nicht weniger.«
Beide Frauen traten beiseite. Karen starrte den Kristall an. Nach wie vor nichts. Sie spürte, wie sich ein Schrei der Enttäuschung in ihrer Brust sammelte. Was übersahen sie?
Langsam drehte sie sich um die eigene Achse. Die Mauern waren schwarz und konturlos. Keine Antwort – oder etwa doch?
Erneut wandte sie sich um. Keine Wandhalter. Nirgendwo hätte man eine Fackel einstecken können. »Dunkelheit«, murmelte sie. »Der Bauch einer Schlange ist vor der Sonne verborgen.«
»Hä?«
»Schalte deine Taschenlampe ab!«
»Warum?«
»Vertrau mir!« Karen löschte ihr Licht.
Sogleich tat es ihr Miyuki nach und tauchte sie beide in völlige Finsternis. »Was tun wir …«
Ein lautes Knirschen schnitt ihr das Wort ab. Fels auf Fels. Karen erstarrte und betete, dass sie recht gehabt hatte. In der absoluten Stille streckte sie die Hand nach Miyukis Hand aus.
Dann stach aus dem Fußboden ein Speer aus Sonnenlicht hervor und traf die Decke. Karen blinzelte in dem hellen Schein und fiel auf die Knie. Der Steinblock mit dem Kristall darauf sank in den Fußboden.
Karen kroch zum Rand und blickte in die entstehende Grube. Der Sonnenstrahl kam aus einem schmalen Riss in ihrer linken Mauer. Während Karen noch hinschaute, sank der Block weiter nach unten, der Spalt wurde breiter, und es öffnete sich ein Tunnel.
Licht strömte herein.
Karen weinte Tränen der Erleichterung. Alles verschwamm ihr vor den Augen. Es war der Weg nach draußen!
Mit einem Knirschen beendete der Steinblock seinen Fall, und der Gang stand weit offen.
Karen wälzte sich auf die Seite und winkte Miyuki, sie solle als Erste gehen. »Dann mal raus hier.« Es war nur ein kleiner Sprung von zwei, drei Metern.
Erleichtert lächelnd ergriff die japanische Professorin ihre Tasche und ließ sich in die Grube fallen. Sie landete, ging in die Hocke und spähte durch den Seitentunnel. »Ist überhaupt nicht weit. Ich sehe die Sonne!« Miyuki kroch in den Gang und machte Karen Platz.
Die sprang, ohne zu zögern. Einen Moment lang blendete sie die Sonne, dann erblickte sie das blaue, hell
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