Im Dreieck des Drachen
Kammer. »Endlich«, stöhnte sie. Miyuki folgte ihr ächzend. Karen hob ihre kleine Taschenlampe.
Von einem Ausgang war auf den nackten Mauern der inneren Kammer keine Spur zu erkennen. Der Raum bestand aus aufeinandergeschichteten Steinblöcken mit einer Felsplatte als Decke. Beide Frauen schauten sich um. Keine Ornamente, keine Inschriften.
Karen ging an den Wänden entlang. »Schalt deine Lampe aus!«, befahl sie Miyuki. Auch sie selbst schaltete ihre Taschenlampe ab.
Dunkelheit umgab sie. Das Geräusch des schwappenden Wassers aus dem Gang unten schien lauter zu werden. Mit weit geöffneten Augen suchte Karen nach einem Riss in den festen Mauern oder der Decke. Nach irgendeinem Hinweis auf einen Ausgang. Sie vermutete, dass sich die Sonne mittlerweile dem westlichen Horizont nähern musste.
Sie wischte sich die Stirn. Es war so warm hier drin. Kein Lüftchen regte sich. Immer eine Hand an der Mauer, schob sie sich weiter und suchte nach einem verräterischen Schimmer. Doch die Finsternis schien absolut zu sein.
»Hast du was gefunden?«, fragte Miyuki hoffnungsvoll.
Karen hatte schon den Mund zu einer Antwort geöffnet, da berührte sie mit der Hand einen Stein, der wärmer war als die übrigen. Sie hielt inne und drückte die eine Handfläche auf den einen und die andere auf den Stein daneben. Zwischen beiden bestand ein deutlicher Temperaturunterschied.
»Das hier könnte zumindest ein Hinweis sein.« Sie betastete den Rand des wärmeren Steins, bei dieser Dunkelheit keine leichte Übung. Die Blöcke passten nahtlos ineinander. Sie entdeckte die Ränder, jedoch keinerlei Anzeichen für hervordringendes Sonnenlicht, auch nicht bei genauestem Hinsehen. Sie runzelte die Stirn. Es musste einen Grund dafür geben, dass der Stein wärmer war.
Sie schaltete ihre winzige Taschenlampe ein, und nachdem Miyuki ihre Tasche auf dem Steinboden abgestellt hatte, trat die Professorin zu ihr. Sie rieb sich die Schulter. »Was hast du da gefunden?«
Karen drückte fest auf den Stein. Er rührte sich nicht. Sie wich einen Schritt zurück, neigte den Kopf und musterte den konturlosen Block. Er hatte einen Querschnitt von etwa einem halben Meter. »Der hier ist wärmer als die übrigen, was darauf hindeutet, dass er der Sonne etwas stärker ausgesetzt ist.«
»Ein Weg nach draußen?« Miyuki schaltete die eigene Lampe ein.
»Hoffentlich. Ich weiß bloß nicht, wie man ihn aufkriegt.« Karen schloss die Augen. Denk nach, verdammt noch mal! Sie stellte sich im Geiste den zweiten Drachen vor. Er war identisch mit dem ersten, von dem zusammengestürzten Tempel einmal abgesehen. Die Spitze dieser zweiten Pyramide war nackt gewesen. Keinerlei Anhaltspunkte.
»Was überlegst du?«, fragte Miyuki.
Karen öffnete die Augen. »Weiß nicht genau. In der anderen Pyramide war der Altar des Tempels der Zugang. Der Schlangenkopf war der Schlüssel.«
»Ja, und?«
»Denk symmetrisch! Denk weiträumiger! In den Ruinen von Chichén Itzá auf der Halbinsel von Yucatán wirft die Hauptpyramide während der Tag-und-Nacht-Gleiche einen schlangenförmigen Schatten, der sich mit einem steinernen Schlangenkopf an ihrer Basis trifft.«
»Versteh ich nicht.«
Karen sprach in der intuitiven Hoffnung weiter, dass sie einer Antwort sehr nahe war. »Der Schlangenkopf war der Eingang. Er war mit einer langen Lavaröhre verbunden … die vielleicht einen Schlangenkörper darstellt.«
Miyuki nickte. »Wenn du recht hast, dann befinden wir uns im Schwanz der Schlange.«
»Wir sind von einer Schlange verschluckt worden, durch ihren Bauch gegangen und müssen jetzt den Verdauungsprozess vollenden.«
»Mit anderen Worten, wir müssen das Arschloch der Schlange finden.«
Karen lachte über den tödlichen Ernst, mit dern Miyuki die letzten Worte ausgesprochen hatte. »Jau.« Sie wandte sich um. Die Öffnung zum Treppenhaus lag ihr unmittelbar gegenüber. Wieder drehte sie sich um. Der warme Stein lag in einer direkten Linie zur Öffnung. Einer geraden Linie Sie legte eine Hand darauf. »Das ist die Schwanzspitze. Das Ende der Schlange.«
»Genau. Das hast du gesagt. Das ist der Weg nach draußen.«
»Nein! Wir missachten die Anatomie. Der Hintern einer Schlange ist nicht in ihrem Schwanzende. Er liegt unterhalb von ihr.« Karen zeigte auf den Fußboden. »In ihrem Bauch!«
Miyuki starrte ihre Zehenspitzen an. »Um nach oben zu kommen, müssen wir nach unten gehen.«
Karen fiel auf die Knie. Der Fußboden bestand nicht aus einer Platte, sondern
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