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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Oberdan würde seine vierrädrige Haftzelle nur zum Verhör verlassen. Seit Stunden saß er inzwischen dort fest und hatte jedes Zeitgefühl verloren. Durch die Seitentür des mit Neonlicht ausgeleuchteten Hangars konnte er nur dann den Sonnenschein draußen sehen, wenn sie geöffnet wurde. Er hatte damit gerechnet, sofort vernommen zu werden, als er aus dem Streifenwagen stieg, stattdessen hatte man ihn in den Gefangenentransporter verfrachtet.
    Seine Taschen hatten Laurentis Leute bereits geleert, ihm auch Gürtel, Schnürsenkel und Armbanduhr abgenommen. Die beiden Strafvollzugsbeamten, die für gewöhnlich den vergitterten Kübel fuhren, saßen nun vor der Hecktür und wachten darüber, dass er nichts Unbesonnenes unternahm. Die Kunststoffpolster klebten an seinem Gesäß, nicht einmal hinlegen konnte er sich. Nur Mineralwasser in einer Plastikflasche hatte man ihm gebracht und später ein Tramezzino. Doch immerhin war das Geld sicher. Noch vor der Grenze hatte er den Briefumschlag in eine Plastiktüte gesteckt und in einem Wäldchen bei der Ortschaft Dane vergraben. Wenn er das nächste Mal aus dem Knast käme, läge zusammen mit der zweiten Rate zumindest ein ordentliches Startgeld bereit. Die zwei Nächte in Wolfsberg hatten ihn dreieinhalbtausend Eier gekostet. In seiner unbequemen Zelle versuchte Mimmo, nicht ständig an die Rumänin und ihre Mädchen zu denken.
    Dem Erzengel stand das Wasser bis zum Hals, ohne dass er es wusste. Die Bullen hatten seine Bleibe in Pampaluna durchsucht und Reifenabdrücke eines Lkw vor dem Haus abgegossen, die mit denen des Fahrzeugs auf dem österreichischen Rastplatz verglichen würden. Auch die Wohnung seiner betagten Eltern in Triest hatten sie auf den Kopf gestellt und natürlich das auf seinen Namen angemietete Loch von zwanzig Quadratmetern in einem schmucklosen Wohnblock mit Blick auf das Stahlwerk, dessen Balkone von einer dicken Schicht Ruß bedeckt waren.
    »Die Zusammenfassung, bitte«, sagte der Ermittlungsrichter, nachdem alle wieder versammelt waren, und gab dem Commissario das Wort, der vom Polizeipräsidium in Pordenone delegiert worden war. Der Analyst war ein vierzigjähriger Brillenträger mit sportlicher Figur und viel Erfahrung. Alessandro Pennacchi trat an die Tafel, an der die Fotos von inzwischen neun Männern samt ihren Namenszügen und den Angaben aus den Melderegistern hingen.
    »Die Blondine in dem Transporter dort drüben ist der erste Tatverdächtige, den wir haben. Auch diesen Johann Pixner fassen wir hoffentlich bald. Er ist international zur Fahndung ausgeschrieben, und die Kollegen in Südtirol durchkämmen die Gegend. Solche Kerle zieht es meist in ihre heimatlichen Gefilde zurück, an den Rockzipfel ihrer Mutter. Fernreisen oder Träume, in tropischen Gefilden ein neues Leben zu beginnen, gehört nicht zu deren Vorstellungen.« Sandro Pennacchi blätterte in seinem Moleskine. »Dank der Auswertung der Videoüberwachung des Flughafens stehen sechs Täter definitiv fest. Die Zuordnung von Giuseppe Tomasin, Bepe, hingegen erfolgt nur, weil er sich auf den Videoaufnahmen zu vertraut mit Pixner unterhält. Ähnlich bei dem Mann mit dem slowenischen Pass, ein Tomaž Novak. Ich hoffe, die Kollegen jenseits der Grenze liefern uns bald genauere Angaben über ihn.« Pennacchi zeigte auf weitere Fotos. »Dann dieser hier, Renzo Semerano, lässt sich ebenfalls sicher zuordnen. Er hat den Lastwagen gefahren, der den Unfall auf der Autobahn verursacht hat. Die Videokamera an der Mautstelle Latisana, hinter der er den Sattelschlepper abgestellt hat, zeigt ihn groß und deutlich. Wie er sich von dort entfernt hat, ist noch unklar. Er war Berufssoldat und hat beim Militär Panzer gefahren. Gebürtig und wohnhaft in Bari. Eine lange Liste an Vorstrafen wegen Autodiebstahls und als Mitglied einer Bande, die über Jahre Baumaterial und Gerätschaften gestohlen hat. Planierraupen, Bagger, Lastwagen für Abnehmer in Osteuropa. Wo er zuletzt einsaß, brauche ich nicht zu erwähnen. Ferner ist davon auszugehen, dass Ignaz Pixner, der Bruder von Johann, beteiligt war. Die beiden haben in der Vergangenheit alle krummen Dinge gemeinsam gedreht. Ich nehme an, dass auch er sich in seiner geliebten Heimat versteckt. Neben der Auskunft der Slowenen warten wir auch auf die Videoauswertungen vom Rastplatz auf der Autobahn in Österreich. Ich muss zugeben, den Raub selbst hat die Bande verdammt gut geplant, ein Spiel mit den politischen Grenzen um uns herum. Ein Spiel gegen

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