Im eigenen Schatten
Grado stressig werden könnte.«
Laurentis Termin bei den Zwillingen auf Spechtenhausers Gehöft war für fünfzehn Uhr vereinbart. Nach der Abteilungssitzung hatte er seine Kollegin in Grado angerufen. Sie klang erleichtert, sofort stimmte sie seinem Vorschlag zu einem raschen Mittagessen zu. Sie saßen auf der Terrasse des Restaurants eines Campingplatzes bei Grado Pineta, wo sie sich sicher sein konnten, dass ihr Gespräch von niemandem belauscht wurde. Nur einige deutschsprechende Gäste saßen an entfernten Tischen. Die leichte Brise, die am Vormittag noch die Hitze erträglich gemacht hatte, war abgeflaut. Laurenti stand der Schweiß auf der Stirn.
»Der Kutter hat es gerade noch geschafft, internationale Gewässer zu erreichen. Die Zusammenarbeit mit den Kroaten ist nicht gerade einfach, sie sind nicht eingeschritten. Ohne direkte Kontakte ist es ein zeitraubendes bürokratisches Prozedere.«
»Warum zum Teufel hast du nicht schon früher Alarm geschlagen?«, fragte Laurenti, goss viel Mineralwasser zum Weißwein und griff nach einer gegrillten Jakobsmuschel.
»Ich musste erst feststellen, was da lief.« Die Kommissarin pulte eine der Stabmuscheln aus dem Gehäuse. »Als einer der Typen zum Pinkeln ans Ufer trat, hat er mich entdeckt. Er rief den anderen etwas zu, sprang ins Wasser und versuchte mich zu fassen. Aber er hatte keine Chance. Trotzdem sind wir nur um ein Haar davongekommen.«
»Und wer waren diese Typen? Konntest du sie erkennen?« Laurenti runzelte die Stirn. Was war bloß in die Kollegin gefahren?
»Es war zu dunkel. Sie waren zu fünft, nein, zu sechst mit dem Bootsführer. Alle schwarzgekleidet, körperliche Arbeit gewohnt und, ihren Bewegungen nach zu schließen, nicht besonders alt. Sie haben kleine Holzkistchen zum Boot getragen, so groß wie die für eine gute Flasche Wein. Aber schwerer, denn mehr als zwei gleichzeitig hat keiner auf einmal getragen. Zwei andere Typen lehnten an ihrem Wagen, gaben Befehle und rauchten. Ich bin mir nicht sicher, aber bei denen könnte es sich um die beiden handeln, von denen ich dir erzählt habe.«
»Um wen?«
»Diese Männer, die in Magdas Hotel die Suiten belegt haben. Südtiroler der eine, Sizilianer der andere. Als ich Magda gestern Morgen besucht habe, bin ich diesem Unterberger im Treppenhaus begegnet.«
»Hast du das etwa noch immer nicht gemeldet, Xenia?« Laurenti fiel aus allen Wolken. »Die Sonderkommission fahndet nach ihnen. Seit gestern stehen sie auf der Liste. Was treibt dich bloß um? Du lässt die beiden lediglich beobachten. Du willst dich doch hoffentlich nicht im Alleingang und hinter dem Rücken der anderen in die Aufklärung des Goldraubs einmischen?«
Xenia errötete, doch erwiderte sie nichts.
»Und dann?«, fragte Laurenti, um ihr zu helfen.
»Sie haben die Verladung sofort abgebrochen, den Rest kennst du.«
»Ich habe den Eindruck, du langweilst dich in diesem Städtchen. Bis heute hast du mir den wirklichen Grund nicht genannt, weshalb du dich ausgerechnet nach Grado hast versetzen lassen.« Er nahm einen tiefen Schluck von seinem Glas.
»Ich werde die beiden weiter beobachten.« Xenia schüttelte trotzig den Kopf. »Gestern haben sie mit zwei aufgedonnerten Weibern am Nebentisch eines Kollegen gesessen. Aber sie haben nur von Urlaubszielen und Weinlieferungen gesprochen.«
»Pina hat auf dem Gut nur zwei Lieferwagen gesehen, an deiner Straßensperre sind aber vier vorbeigefahren.« Nachdem er die letzte Muschel verschlungen hatte, säuberte Proteo Laurenti seine Finger mit einem Erfrischungstuch.
»Gespenster waren das letzte Nacht nicht. Unterberger und Cassara sind erst morgens ins Hotel zurückgekommen.«
»Seit heute früh sitzt ein erster Tatverdächtiger«, sagte Laurenti ernst. »Ebenfalls ein Kenner der Haftanstalt da oben. Ein alter Kunde. Im Verhör hält er nie lange durch und versucht normalerweise, seine Lage dadurch zu verbessern, indem er andere verpfeift. Ein kleiner Deal mit dem Staatsanwalt, der verspricht, seine Reue in der Verhandlung ordentlich zu erwähnen und, in Anerkennung der Kooperationsbereitschaft, ein milderes Urteil zu fordern. Wenn er deine beiden Freunde kennt, dann wird es nicht lange dauern, bis die von der Sonderkommission hier auftauchen und das Hotel unter die Lupe nehmen. Natürlich ohne dich vorher zu fragen. Die Langeweile der Provinz vernebelt deinen Instinkt. Außerdem hast du nicht nur dich selbst gefährdet. Zeno bringt wirklich eine Eselsgeduld auf. Wenn die im
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