Im Feuer der Nacht
sie ausgerechnet diese Kinder nehmen, wenn sie auf Kinder aus sind, die niemand vermisst?“
„Du hast recht.“ Ihre Hand zitterte. „Bei Jon gibt es eine einfache Erklärung– er hat nie offiziell einen Hüter akzeptiert. Ich musste ihn quasi mit Gewalt zwingen, sein Verhalten zu ändern.“ Clay konnte spüren, wie sehr es sie zerriss, dass sie Jon dadurch in Gefahr gebracht hatte, dass sie versucht hatte, ihm ein besseres Leben zu verschaffen. „Offiziell war ich nur seine Erstkontaktperson, nichts weiter.“
Er nickte. „Was ist mit Mickey und Diana?“
Talins Busen hob sich, als sie tief Luft holte. „Mickey ist ganz offiziell mein Kind. Ich hab keine Ahnung, warum er von ihnen ausgewählt wurde.“ Sie wollte Clay berühren, um Trost zu finden, ballte aber stattdessen die Faust. Allerdings lehnte sie sich noch stärker an ihn. „Bei Diana bin ich fast sicher, dass sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort war und deshalb ein einfaches Opfer war.“
„Das lässt auf Kontrollverlust schließen“, meldete sich Nate. „Aber alles andere deutet in die entgegengesetzte Richtung.“
Clay zog die Stirn in Falten. „Vielleicht bricht die Struktur zusammen?“
„Oder“, schlug Tamsyn vor, „sie sind zu sorglos geworden. Fangen jetzt an, sich bestimmte Kinder auszusuchen, statt auf Nummer sicher zu gehen.“
„Könnte sein“, stimmte Nate zu und sah Talin auffordernd an. „Schlussfolgerung: Sie müssen Shine dazu bringen, den Grund auszuspucken, warum sie auf diese Weise begabte Kinder auswählen.“
„Nicht alle sind es“, stellte sie fest.
Clay fuhr mit seiner Hand über ihren Arm, wohltuend und verwirrend. „Vielleicht nicht alle, aber immer noch genug, dass wir den Grund erfahren müssen.“
„Ich bin nicht annähernd in der Position, in der ich das könnte. Dev kennt mich zwar, aber–“ Sie brach ab, als irgendetwas piepte. „Was– ach, Mist.“ Sie griff in ihre Hosentasche und zog ein schmales silbernes Handy heraus. „Die Kinder, auf die ich für Rangi aufpassen soll, haben diese Nummer.“ Sie klappte es auf und hielt es ans Ohr. „Talin hier.“
Clay war so nahe, dass er keine Mühe hatte, die Antwort zu verstehen. Sein Körper spannte sich an. Kurz darauf griff Talin nach seiner Hand. „Heute Abend?“ Sie sah Clay mit großen, erschrockenen Augen an.
Er nickte.
„Ja, okay. Wann?“ Eine kurze Pause. „In Ordnung. Wir unterhalten uns dort.“ Sie klappte das Handy wieder zu. „Mein Gott, war das irre.“
Clay verschränkte seine Finger noch fester mit den ihren, während das Tier in ihm nach den Energiewellen zwischen ihnen schnappte.
„Ich hab den Namen nicht verstanden“, sagte Tamsyn. „Wer war das denn?“
Talin starrte sie an. „Sie haben alles mitgehört?“
„Tut mir leid.“ Die Heilerin wand sich ein wenig. „Schlechte Angewohnheit, aber ich muss zu meiner Entschuldigung sagen, dass die menschliche Stimme ziemlich laut für unsere Ohren ist.“
„Na, dann werde ich mir wohl Kopfhörer anschaffen müssen.“ Sie klang eher neugierig als beleidigt.
Clay fragte sich, ob ihr aufgefallen war, dass sie bereits längerfristig plante. Etwas sehr Angespanntes in ihm löste sich.
„Den Namen“, drängte Nate, als sie schwieg.
„Clay.“ Sie sah ihn schelmisch an. Seine Tally hatte sich wie immer wieder in der Gewalt. Aber er würde später trotzdem zärtlich zu ihr sein. Dass sie den Schmerz über den Verlust der ihr Anvertrauten überwinden konnte, hieß noch lange nicht, dass es nicht mehr wehtat. „Würdest du so nett sein?“
Er bedachte sie mit einem finsteren Blick, weil sie die anderen hinhielt. Doch sie lächelte unbefangen. „Das war Devraj Santos“, sagte er, und die Katze in ihm hatte Spaß daran. Seine Rudelgefährten hätte das erstaunt, denn er war nicht gerade bekannt dafür, sich mit Scherzen abzugeben, was bei ihnen längst zur zweiten Natur geworden war. Aber mit Talin war es ihm immer leichtgefallen herumzualbern. Und bis zu diesem Augenblick hatte er nicht gewusst, wie sehr er diesen Aspekt ihrer Beziehung vermisst hatte.
„Irre ist nicht die richtige Umschreibung“, brummte Nate. „Wir reden von ihm, und schon ruft er an. Sind Sie sicher, dass er kein V-Medialer ist?“
Talin lachte. „Nein, er ist in einem hohen Maß Mensch– ich habe gehört, er geht so schnell in die Luft, dass keine Sekretärin es lange bei ihm aushält.“ Sie rieb mit ihrem Daumen über Clays Hand. „Wir treffen uns um neun in einem Restaurant,
Weitere Kostenlose Bücher