Im finsteren Wald
sah noch rüstig aus, flink winkte sie Thomas ins Haus, als er sich vorgestellt hatte.
„Wir wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt“, sie wollte tatsächlich seine Tasche nehmen, doch Thomas wehrte ab.
„Na gut, kommen Sie, ich bringe Sie aufs Zimmer.“
Ihr Mann schlurfte hinter ihnen her. „Sind Sie ganz allein?“, fragte er neugierig.
Thomas nickte.
„Was wollen Sie denn hier in unserem kleinen Dorf? Wir haben hier keine Disco und so neumodisches Zeug.“
„Keine Sorge“, Thomas lachte, „ich bin eher geschäftlich hier, aber ein wenig entspannen möchte ich mich auch. Die Ruhe hier wird mir gut tun.“
„Was sind denn das für Geschäfte?“
„Ernst, nun lass doch den jungen Mann und frage ihn nicht aus wie ein Kommissar!“ Elfriede schüttelte verärgert den Kopf. „So, hier sind wir.“
„Ist schon gut“, Thomas musterte die kleine Kammer. Fein und rein, aber klein. „Ich bin Journalist und möchte hier nach alten Sagen und Legenden recherchieren, einen Artikel darüber schreiben und schöne Fotos schießen“, fügte er hinzu.
Wie auf Kommando verschlossen sich die Gesichter der beiden Alten. Der Mann drehte sich um und schlurfte die kurze Treppe wieder hinab. Seine Neugier schien mit einem Mal verflogen zu sein. Auch seine Frau bekam nur ein „So?“ heraus.
Thomas erfrischte sich und ging nach unten zu seinen Gastgebern. Ihr Verhalten wurde beinahe abweisend, als er nach Legenden fragte und Ernst erklärte eindringlich, es gäbe nichts zu fotografieren und über alte Legenden würden sie nichts wissen. Das war so offensichtlich eine Lüge, dass Thomas nur noch die Schultern zucken konnte. Gerade alte Leute kannten doch jeden Dorftratsch und jede Überlieferung. Nun, wenn sie nicht reden wollten, musste er sich jemanden suchen, der mit ihm sprach.
Also erkundete er den Ort zu Fuß. Er fragte ein paar alte Leutchen auf der Straße, viele Leute traf er in dem kleinen Ort allerdings nicht an. So richtig gesprächsfreudig begegnete ihm niemand. Ein Mädchen, das er traf, es trug eine Gitarrentasche und war vielleicht zwölf, grüßte ihn freundlich mit: „Grüß Gott!“
Thomas grüßte zurück und auf seine Frage erzählte sie ihm, in der Nähe gäbe es alte Wallanlagen und die verfallenen Ruinen eines uraten Klosters im Wald verborgen, mehr wusste sie jedoch nicht. Sie sagte, ihre Eltern verboten es ihr, das Dorf zu verlassen. Thomas fand das seltsam, doch vielleicht hatte die Kleine etwas angestellt und deshalb das Verbot bekommen. Er würde sich am nächsten Tag auf die Suche machen und sich die Ruinen einmal anschauen. Nun besaß er einen Ansatzpunkt und konnte den Abend auf seinem Zimmer ausklingen lassen. Hungrig verschlang er das mitgebrachte Baguette und trank zwei Bierchen, dann sank er auch schon in das viel zu weiche Bett.
5
Karins Lippen weckten am nächsten Morgen ihren Mann mit weichen, zarten Küssen und ihre Hände gingen auf Wanderschaft. Erstaunt dachte Peter einen Moment, noch zu schlafen und einen schönen Traum zu haben, doch schnell zeigte er, wer hier der Mann war.
Das bunte Frühstück ließ keine Wünsche offen, was Karins Stimmung noch mehr hob und sie mit der Einöde ohne Meer und Strand endgültig versöhnte. Es gab Eier mit Speck, Tomaten, Gurken, Brötchen und Marmelade, Wurst und Käse, dazu Kaffee, warme Milch und Orangensaft. Selbst Tina zeigte sich zufrieden und hatte nichts zu meckern. Natürlich bekam sie kaum die Augen vom Kindle und las beim Essen, doch ihre Eltern sagten diesmal nichts dazu. Sie hatten Urlaub. Gut gelaunt ließ die Familie es sich schmecken.
Die Wirtin schaute ihnen einen Moment zu, strich sich die Schürze glatt und fragte nach ihren Plänen für den Tag. Peter erzählte von der Wanderung durch den Wald zum alten Berg, der höchsten Erhebung des Hainichs, die er mit Frau und Tochter unternehmen wollte. Ein Schatten flog über das Gesicht der alten Dame, es wirkte einen Moment feindlich und abweisend, dann kehrte das Lächeln wie die Sonne nach einem Gewitterguss zurück und sie verkündete, sie wolle belegte Brote für ein Mittagessen in der Natur machen und ihnen mitgeben.
Peter und Karin war es recht, sie bedankten sich herzlich. Wenig später ging es los. Peter schulterte den Rucksack mit Kompass, den Sandwiches, Wasserflaschen und einer Karte der Gegend. Unterwegs wollte er Tina, die sich nicht vom Lesegerät trennte, die verschiedenen Baum- und Pflanzenarten zeigen und erklären, wie man sich in der
Weitere Kostenlose Bücher