Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im finsteren Wald

Im finsteren Wald

Titel: Im finsteren Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Grießbach
Vom Netzwerk:
er hätte anders machen sollen in seinem Leben. Und wäre es dann mit Susanne anders gelaufen? Würde nun die Einsamkeit sein bester und einziger Freund werden? Die alten Kontakte aus dem Studium, die Versprechen, in Verbindung zu bleiben, alles fort und vergessen. Wenn er es genau betrachtete, überlegte er weiter, hatte er nur Susanne gehabt. Und nun war sie weg. So wollte er nicht mehr weiterleben.
    ‚Habe ich alles falsch gemacht?‘, fragte er sich. ‚Anscheinend ja! Sonst wäre sie ja nicht weg. Wenn das hier vorbei ist, muss ich mein Leben neu ordnen und in andere Bahnen lenken. So kann es nicht mehr weitergehen.‘
    Er wusste, das würde nicht leicht werden; viele Menschen versuchten, ihr Leben zu ändern und blieben doch im gleichen Trott, behielten die gleichen Laster. Wer hörte schon wirklich mit dem Rauchen auf oder stellte seine Ernährung um, um abzunehmen. Die meisten redeten nur darüber, wenige taten etwas und noch weniger schafften es dauerhaft. Aber Thomas nahm sich fest vor, zu den ganz wenigen zu gehören, die es schafften. Noch war er nicht zu alt für einen Neuanfang.
    Nachdenklich ging er die Dorfstraße entlang und verließ den Ort, der einsam und still zurückblieb. Niemand begegnete ihm. Das Kornfeld, das er jetzt auf einem schmalen Weg durchschritt, er hielt es für Weizen, war sich aber nicht sicher, ging in unberührte Natur über. Eine wilde Wiese mit Löwenzahn, Büschen und einzelnen Obstbäumen erstreckte sich bis zum nahen Waldrand. Er lief weiter und schaute sich aufmerksamer um.
    ‚Jetzt reiß dich zusammen und konzentrier dich‘, ermahnte er sich, als er bemerkte, wie weit er in Gedanken versunken bereits gelaufen war. Von der Umgebung hatte er nicht viel mitbekommen, dabei wäre die spätsommerliche und bunt getupfte Landschaft ein schöner Anblick gewesen. Die Sonne schien von einem hellblauen Himmel, über den einzelne Wolken zogen. Nun nahm er auch das Vogelgezwitscher wahr und seine Stimmung hob sich ein wenig.
    Südlich von Kammerforst erreichte er den Waldrand und drang in den dichten Forst aus Buchen, Eichen, Kiefern und Erlen ein. Das Mädchen vom Vortag hatte ihm vage den Weg zu den Ruinen beschrieben. Im Wald gab es keinen Weg mehr, die mächtigen Kronen schluckten viel Licht und ließen die Wildnis düster und geheimnisvoll erscheinen. Ein Schwarzspecht trommelte an einen Stamm, als würde er verschlüsselte Botschaften übermitteln und hoch in den Wipfeln rauschte es. Der schwache Wind reichte aus, die Bäume sacht zu bewegen, hier und da knarrte Holz. Junge Bäumchen und Gestrüpp bildeten eine grüne Wand, vor der ein mächtiger bemooster Stamm lag. Thomas setzte sich auf den modernden Baum und kramte in seinem Rucksack nach der Wasserflasche. Während er gierig trank, sah er einen Salamander am Boden entlanghuschen. Schnell zückte er die Kamera und schoss eine Bilderserie von dem Lurch.
    ‚Vielleicht finde ich sogar Beeren und Pilze‘, dachte er. ‚Gibt es schon Pilze? Aber zuerst muss ich die Ruinen des alten Klosters finden, hoffentlich lassen sie sich gut fotografieren.‘
    Mit neuer Energie lief er weiter, in die richtige Richtung, wie er hoffte. Er überdachte sein weiteres Vorgehen. Im Ort hatte er eine Pension mit Gaststätte gesehen, dort wollte er am Abend mit Einheimischen ins Gespräch kommen. Er war sicher, nach ein paar Bieren die Zungen lockern zu können und einige geheimnisvolle Geschichten zu hören.
    Plötzlich verharrte er und blieb reglos stehen. In einiger Entfernung stand ein Reh und knabberte an jungen Erlentrieben. Es hatte ihn noch nicht bemerkt und gab sich völlig natürlich. Thomas freute sich, das Tier beobachten zu können und griff langsam zu seiner Kamera.
    ‚Du hast es gut‘, dachte er, ‚du bist wirklich frei, ohne Sorgen, brauchst nur was zu fressen und im Frühjahr einen Bock.‘ Er grinste.
    Plötzlich zuckte die Ricke zusammen, wandte den Kopf und verschwand mit großen Sprüngen zwischen den Stämmen, noch ehe er ein Foto hatte schießen können. Irgendetwas hatte den Waldbewohner erschreckt, aber nicht er, da war sich Thomas sicher. Langsam lief er weiter, die Bäume standen nun dichter beieinander, einige lagen modernd am Boden. Büsche behinderten die Sicht, aber Thomas befürchtete nicht, sich zu verirren, er besaß ein gutes Orientierungsvermögen. Es war kein gepflegter Wald, wie er ihn von Brandenburg kannte, wo regelmäßig ausgemistet wurde und akkurate Wege den Wanderer leiteten.
    ‚Was hat das Reh

Weitere Kostenlose Bücher