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Im finsteren Wald

Im finsteren Wald

Titel: Im finsteren Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Grießbach
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Wildnis zurechtfand.
    Karin hätte sich lieber Bad Langensalza oder eine größere Stadt angeschaut, ein Museum besucht oder eine alte Kirche. Die Wildnis zu erwandern, war nicht gerade ihr größter Traum, aber sie fügte sich. Wenn sich ihre Liebsten wohlfühlten, ging es ihr auch gut, egal, was sie unternahmen, hauptsache, sie waren zusammen.
    Das Wetter spielte mit. Die Sonne schien leicht verschleiert, war aber schon angenehm warm und hinter dem Hochnebel wartete der blaue Himmel darauf, sich zeigen zu können. Der Mischwald des Hainichs umgab Craula von drei Seiten. Nur in die Richtung, aus der sie gekommen waren, erstreckten sich Felder mit Roggen und Mais bis zum Horizont. Sie verließen das Dorf in westlicher Richtung und liefen einen Feldweg entlang. Vor ihnen zogen sich bis links in die Ferne erst bewaldete Hügel und dann Berge entlang, dort begann das Thüringer Hochland.
    Karin hatte sich bei ihrem Mann eingehakt und Tina hüpfte über eine feuchte Bodensenke, in der sich bei Regen Wasser ansammelte. Eine breite Traktorspur zeichnete ein Muster auf den Boden und bog bald darauf aufs Feld ab.
    Ihren Kindle trug Tina in einer Unhängetasche, die ihr beim Hüpfen gegen die Hüfte schlug, während der dunkle Pferdeschwanz wippte. Sie trug heute die Bootleg Jeans, Campion Navy Canvas Sneakers und the blue Jacket, alles a la Bella Swan. Ausgelassen riss sie einen Getreidehalm ab und hielt ihn ihrem Paps vors Gesicht. „Was ist das?“
    „Das ist Gerste.“
    Unser Naturexperte“, staunte Karin. „Macht man aus Gerste auch Brot?“, fragte sie.
    „Eher seltener, aber Bier, den Gerstensaft eben“, Peter schmunzelte. „Ich glaube, das war ein Bussard“, sagte er und zeigte zum Himmel.
    „Aha“, kam von Tina.
    „Schön ist es hier.“ Karin schmiegte sich enger an Peter und drückte seinen Arm, in den sie sich eingehakt hatte. „Vielleicht war es doch eine gute Idee, hier Urlaub zu machen.“
    Sie erreichten eine Stelle, an der unvermittelt windschiefe Stämme von Buchen und Eichen emporragten. Peter holte Karte und Kompass aus dem Rucksack und begann zu erklären: „Wir sind hier, seht ihr? Craula ist gleich hier“, er zeigte auf die Karte und nahm den Kompass. „So wird eine Karte eingenordet. Wir sind also nach Westen gelaufen. Und wenn man keinen Kompass dabei hat, kann man sich nach der Sonne richten. Sie geht im Osten auf, steht mittags im Süden und verschwindet, wenn sie untergeht, im Westen. Zurück müssen wir also nach Osten gehen. Wo steht dann die Sonne?
    Tina stöhnte, es sollte endlich weiter gehen! Sie würde sich gleich hinsetzen und den Kindle rausholen. „Sie muss uns von rechts bescheinen, richtig?“, sagte sie wie selbstverständlich.
    „Ganz genau!“ Peter freute sich. Karin trank einen Schluck und reichte die Wasserflasche herum. Dann drängte sie zum Aufbruch. Als sie in den dichten Wald eintauchten, wurde es dunkler und die Luft kühlte ab. Wege gab es nicht, sie folgten einfach der Richtung, die Peter vorgab. Den Boden bedeckte ein Teppich aus Moos, abgestorbenen Pflanzenteilen, Blättern und Ästen, ab und zu ragte ein Stein daraus hervor. Die glatten Stämme, Buchen, wie Peter erklärte, ragten hoch hinauf, bevor sich mächtige Kronen ausbreiteten und viel Licht schluckten. Unterholz und Büsche standen stellenweise sehr dicht beisammen und zwangen sie, in Bögen zu laufen.
    „Uh, ist das unheimlich hier“, sagte Tina.
    „Warum?“, fragte ihr Paps und zuckte die Schultern.
    „Na weil hier kein Mensch ist und wenn wir uns verirren, kommen wilde Tiere und fressen uns.“
    „Mal den Teufel nicht an die Wand!“, meinte Karin erschrocken.
    Gleich darauf kam ein lautes „Ihh! Ist das eklig, überall hängen Spinnennetze!“ Angewidert strich sich Tina dünne Fäden aus dem Gesicht.
    Peter schaute sich eine Spinne in ihrem Netz zwischen zwei Bäumen genauer an. „Guckt mal, das sind Kreuzspinnen, man sieht deutlich das Kreuz auf dem Rücken.“
    „Echt?“ Karin, die gerade ein Netz vor sich auftauchen sah, zuckte zurück. „Die sind doch giftig!“
    „Ja, aber ungefährlich, sie können die Haut nicht durchdringen und selbst wenn, es wäre wie ein Bienenstich.“
    „Na toll“, Tina hielt nun noch größeren Abstand, wenn sie ein Spinnennetz bemerkte. „Ist ja krass.“
    Nachdem er zweimal angemahnt hatte, leise zu sein, wenn sie Tiere zu sehen bekommen wollten, herrschte Schweigen, und Tina stakte übertrieben hochbeinig über den Boden, um nicht zu laut

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