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Im Funkloch

Im Funkloch

Titel: Im Funkloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falko Löffler
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von denen, die sich im vorderen Teil des Busses umdrehten.
    Ich konnte sie von meinem Platz aus genau sehen. Immer wieder strich sie sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr, der es vor ihren Augen einfach besser gefiel. Ihre beste Freundin Janka hatte sich auch zur Rücklehne gedreht. Lachend plauderten sie mit den beiden Mädchen hinter ihnen. Da hob Tina kurz den Kopf, blickte in den hinteren Teil des Busses.
    Und mir direkt in die Augen.
    Ich schaute schnell zur Seite aus dem Fenster. Einige lautstarke Herzschläge später riskierte ich, noch mal in ihre Richtung zu schauen. Sie war wieder ins Gespräch vertieft. Hatte sie mich wirklich angeschaut oder nur irgendwie in meine Richtung? War das echter Blickkontakt gewesen? Ich Volldepp! Ich hätte ihr cool zunicken können. Oder die Augenbraue hochziehen. Was geht, Baby? Ein paar Mal hatten wir schließlich schon miteinander geredet. Wirkannten uns also . . . sozusagen . . . wobei ich mir nicht sicher war, ob sie wirklich wusste, wie ich hieß. Vielleicht wollte sie mit Realschülern nichts zu tun haben. Aber das glaubte ich eigentlich nicht – sie war keine arrogante Gymmi-Zicke. Von denen gab es genug, aber Tina war keine. Sie donnerte sich nicht auf, sie kicherte nicht dauernd in den Pausen über irgendeinen Mist und auch ihre Freundinnen wirkten nicht abgehoben.
    Sie war einfach nur hot .
    Ich hatte mir eine Menge Situationen während der Fahrt ausgemalt, in denen ich Tina mit einem lockeren Spruch beeindrucken konnte. Vielleicht beim Frühstück, wenn wir rein zufällig am selben Tisch saßen. Oder bei einer langweiligen Museumsführung. Und wer wusste schon, was nachts alles geschah, wenn die Expeditionen in die Mädchenzimmer losgingen . . .
    Noch mehr Ortsnamen wurden gerufen, von denen einige – zum Beispiel Thurnhosbach – witzig waren, andere nicht, aber das war egal. Wir lachten bei jedem Namen.
    »Scheißhausen!«, brüllte Lucas. Ich warf einen Blick über die Schulter. Er saß gelangweilt da, nahm einen weiteren Schluck aus seiner Bierdose.
    »Gibt's das wirklich?« Annabelle saß auf dem Platz neben ihm. Ihre Stimme klang immer einen Tick zuschrill und war mit glucksendem Kichern durchsetzt. Sie warf ihre schwarzen Locken etwas zu demonstrativ nach hinten – wie fast jedes Mal, wenn sie etwas gesagt hatte.
    Not hot , dachte ich. Nein, sie war wirklich nicht mein Geschmack. Zu schrill, zu affektiert – aber damit genau die Richtige für Lucas' Dunstkreis. Die beiden waren kein Paar, aber es hieß, sie stiegen gelegentlich in die Kiste . . .
    Lucas hatte es geschafft – die Stimmung war wieder gekippt. Die Gymmis waren still. Kurz schaute ich in den vorderen Busteil – von dort kamen nur abfällige Blicke. Auch von Tina.
    Schnell wandte ich mich dem Fenster zu, bevor unsere Augen sich wieder begegneten.
    »Würd mich nicht wundern, wenn's das hier gibt«, sagte Lucas so laut, dass es der ganze Bus hören konnte. »Ist schließlich eine Scheißgegend hier.«
    Von vorne quäkte Musik aus einem winzigen Handy-Lautsprecher – ein schmalziger Song irgendeines ehemaligen Boygroup-Mitglieds.
    »Macht den Rotz aus!«, brüllte Lucas, was die Mädchen nur veranlasste, das Lied mitzugrölen und Lucas zu übertönen. Ich grinste, als ich sah, dass Tina am lautesten sang – wenn man das Singen nennen wollte.
    Ich erwartete, dass Lucas nach vorne stürmte undsich das Handy schnappte, aber er blieb auf seinem Platz sitzen. Vielleicht war ein Grund dafür, dass sich Frau Herzig hingestellt hatte und schon abwartend in seine Richtung schaute.
    »Er hat ja nicht mal unrecht«, meinte Kevin neben mir.
    »So schlimm ist das Lied auch nicht«, gab ich zurück. »Ich meine, der Typ kann wenigstens singen, auch wenn er . . .«
    »Red keinen Schrott. Ich meine die Gegend. Guck doch mal raus.«
    Wald. Mehr war da nicht. Seitdem wir die Autobahn verlassen hatten, waren die Kurven immer enger und die Dörfer immer kleiner geworden. Der einzige Ortsname, der mir halbwegs bekannt vorkam, war Eschwege. Ich hatte immer gedacht, das wäre irgendwo am Edersee . . . lag ich wohl falsch. Aber ich hatte mich bisher nicht näher mit Nordhessen befasst, außer in der Grundschule. Wozu auch die Mühe. Ich würde wahrscheinlich in meinem ganzen Leben nie wieder hierherkommen.
    »Nicht gerade die Zeil«, meinte Kevin.
    »Och, da war eben eine Gaststätte Zur singenden Wirtin . . . klingt doch einladend.«
    »Klingt für mich eher wie eine Drohung.«
    Ich grinste.
    »Mein Cousin

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