Im Glanz Der Sonne Zaurak
sicher?“ fragt Ahab zurückhaltend.
Eine Winzigkeit zögert Askart, dann sagt er traurig und leise: „Sie wissen doch, weshalb ich an Bord bin, Kapitän…“
Ahab nickt verlegen und fühlt sich plötzlich unwohl. Ja sicher, er weiß, daß sein vorhin geäußerter Verdacht gege n standslos ist. Er wollte nur mal auf den Busch klopfen, vorsichtshalber.
Askarts unverhohlene Gemütsbewegung macht ihn nervös und unruhig. Nichts fürchtet er mehr als Mitleid. Er haßt es geradezu, bemitleidet zu werden. Und ebenso haßt er es, wenn man ihn zwingt, andere zu bemitleiden. Da ist es, da steigt es in ihm auf, dieses elende Mitgefühl. Nur weil sein Chefnavigator mit traurig gesenktem Kopf und krampfhaft ineinander verkrallten Fingern vor ihm sitzt. „Gut, gehen Sie!“ sagt er rauh. Und einem ungewollten Impuls folgend, ruft er Askart hinterher: „Diesmal soll ihr Schützling ungeschoren bleiben, denn Ihre Aussage steht gegen die Ponapes. Aber beim nächsten Mal, das verspreche ich Ihnen, ist er dran!“
Marius Askart bedankt sich mit einem warmherzigen L ä cheln, das Ahab zwingt, sich hinter poltrigem Gebrabbel zu verst e cken.
Der Kapitän hinkt zum Schreibtisch und stützt sich mit beiden Händen auf die polierte Platte. Diese Idioten von der Levi a than …
Er lacht bitter auf. Wie soll man diesen Haufen denn treffe n der charakterisieren? fragt er sich. Er schnippt müde ein Staubkörnchen von der Tischplatte und greift nach dem Logbuch, um den Vorfall zu vermerken.
Dr. Pinn nimmt eins der vor ihm liegenden Psychogramme zur Hand und studiert es aufmerksam. Gilbert Ekalla – steht links oben.
„Unausgeglichen, sensibel, Konzentrationsschwächen…“, murmelt der Bordarzt und greift nach dem Meßglas, das neben einer bauchigen Flasche ohne Aufkleber steht. Genießerisch läßt er die hellbraune Flüssigkeit in seine Kehle rinnen und schließt die Augen. Sogleich spürt er die Wärme, die der Alkohol in seinem Körper freisetzt. Der dumpfe Druck weicht, und der Kopf wird wieder frei und klar. In spätestens drei Stunden wird die Flasche leer sein, dann muß er nach nebenan ins Labor gehen, das Gitter vor dem Schacht der Klimaanlage lösen und aus einem der acht Kartons eine neue Flasche herausnehmen.
Seine Kabine ist sparsam eingerichtet. Dr. Pinn stellt keine hohen Ansprüche. Zwei Sessel, ein Tisch, eine Liege und ein Bücherschrank – das ist alles. Hier lebt der schmächtige alte Mann mit dem für den gebrechlichen Körper viel zu großen Kopf seit zweiundzwanzig Jahren. Seit der Trennung von seiner Frau…
Er setzt das Glas wieder auf den Tisch zurück und vertieft sich erneut in die medizinischen Unterlagen. An der phys i schen Konstitution der Mannschaft gibt es nichts auszusetzen, der psychische Zustand hingegen läßt zu wünschen übrig. Ganz besonders betrifft das einige der Kadetten.
Der lange Flug zehrt an der Substanz, stellt er für sich lak o nisch fest. Er legt das Psychogramm Ekallas gesondert. Daraus wird ein kleiner Stapel, als die Unterlagen von Leander und Algert folgen. Stirnrunzelnd betrachtet er Ahabs Psychogramm und sortiert es ebenfalls aus. Gerade will er die Aufzeichnung über Askarts seelischen Zustand achtlos zur Seite legen, als sein Blick auf die letzten Testergebnisse fällt. Erstaunt spitzt er die Lippen und pfeift leise. „Was ist denn mit dem Chefnavig a tor los? Ausgerechnet der ruhige, ausgeglichene Askart…“
Dr. Pinn betätigt die Rufanlage und spricht in das Mikrofon: „Kadett Malden, bitte beim Bordarzt melden!“ Dann grübelt er vor sich hin. Zweifellos steht der leicht verletzbare, hochmüt i ge Malden im Zentrum dieses magischen Kreises, im Schnit t punkt der Wirkungslinien. Zuerst also muß er sich mit ihm beschä f tigen. Dr. Pinn hat für solche Fälle eine zuverlässige Strategie entwickelt. Im Fall Malden hat er noch einen zusätzlichen Trumpf in der Hand. Wie die Dinge liegen, wird er ihn ausspielen müssen. Wahrscheinlich hat er schon viel zu lange damit gezögert. Der stolze, verbitterte Ahab würde das, was er vorhat, nie selbst tun. Er wird toben und schimpfen, wenn er von Dr. Pinns Attacke auf Leanders Widerborstigkeit erfährt – Pinn ist sich dessen bewußt. Trotzdem wird er es tun. Schocktherapie ist mitunter recht wirkungsvoll.
Es klopft, und Leander tritt ein.
„Setzen Sie sich, Malden. Sie müssen mir helfen, ich komme in der Auswertung der Psychogramme nicht weiter.“
Leander fläzt sich in den Sessel und antwortet
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