Im Grab des Pharao
still, du Affe! Kinderstube ist wohl ein Fremdwort für dich?!!“
Addi starrte in das geschminkte Gesicht über sich. Wenn er ehrlich war, hatte er das Wort Kinderstube tatsächlich noch nie gehört. Hatte das was mit Puppenstube zu tun? Und wenn ja, was sollte es bedeuten?
„Keine Ahnung!“, sagte er deswegen sicherheitshalber. „Aber ich muss da durch! Sie kommen hier sowieso nicht weiter, aber ich bin kleiner als Sie, ich schaffe es bis zur Bühne, wenn Sie mich durchlassen. Dann hat wenigstens einer von uns Erfolg und bekommt sein Autogramm.“
Sein Vater wäre stolz auf ihn gewesen, so geschliffen und überzeugend drückte sich Addi nur selten aus.
Doch leider fand das die Frau in Lila gar nicht.
„Ach nee?“, kreischte sie und schlug knallend die Hände zusammen. „Er muss da durch! Hör mal, Bürschchen, halt ja die Hufe still! Ich bin vor dir dran. Und da bleibe ich auch! Und ich will dich nicht noch mal zwischen den Beinen haben.“
Und damit drehte sie sich wieder um und streckte Addi ihren Allerwertesten entgegen wie einen seidenumschlungenen lila Felsen.
Addi stöhnte verzweifelt auf. Er würde nie an die Drachenbrut- DVD mit echtem Autogramm kommen, wenn ihm jetzt nicht irgendetwas Geniales einfiel.
In diesem Moment pikte ihm jemand von hinten einen Zeigefinger in die Hüfte.
„Hallo! Kannst du bitte mal zur Seite gehen!“
Addi fuhr herum.
„Bitte mal kurz zur Seite!“
Vor Addi stand ein Junge mit türkisgrauen Augen und glattem schwarzem Haar, das ihm an der Stirn klebte. Er trug ein buntes T-Shirt und lächelte höflich.
„Hast du sie nicht mehr alle?“, fragte ihn Addi.
„Entschuldige, aber du blockierst den Weg.“
„Ich blockiere überhaupt nichts“, erklärte Addi unwirsch. „Da ist zu. Der lila Hintern! Und außerdem bin ich vor dir.“
„Aber siehst du denn den Weg nicht?“ Der Junge zeigte nach vorne. „Da geht es weiter.“
Addi sah wirklich keinen Weg, aber der Junge ließ sich auf alle viere nieder und steckte den Kopf zwischen den Beinen des lila Schreckgespenstes durch.
Im selben Moment passierte genau das, was Addi erwartet hatte. Die Beine unter dem lila Rock fingen an, wie ein Pferd auszutreten, und erwischten den Jungen voll an der Seite.
„Haust du ab da!“, schrie es gleichzeitig von oben. „Habe ich dir nicht gesagt …“
Eine große Hand packte den Jungen am Hosenbund und zog ihn in die Höhe.
Dann sagte die Frau erstaunt: „Wer bist du denn?“
„Guten Tag, alte Dame! Ağan Enc ist mein Name. Ich möchte zur Bühne.“
„Alte?“ Die Frau schnappte nach Luft. „Hast du Alte zu mir gesagt? Gibt es denn gar keinen Anstand mehr unter der Jugend? Aber ich sage dir was, Jungchen: Du fühlst dich gleich alt! Und zur Bühne wollen wir hier alle. Nur war ich vor dir hier und du drängelst dich nicht vor!“
„Aber der Weg …“
„Weg? Da ist kein Weg! Das ist eine Schlange, du Naseweis. Also stell dich gefälligst hinten an.“
Addi grinste noch etwas breiter. Doch zu seinem Erstaunen gab der Junge nicht auf.
„Aber vor Ihnen ist ein Tunnel zwischen den Beinen! Ich sehe ihn!“, erklärte er. „Und ich habe nicht Alte zu Ihnen gesagt, sondern alte Dame , was eine höfliche Anrede ist.“
Addi bückte sich und blickte durch das Beinlabyrinth. Der komische Typ war nicht auf den Kopf gefallen. Wenn man es durch die Beine der Frau in Lila geschafft hatte, tat sich wirklich ein Tunnel auf. Er müsste nur den Augenblick der Ablenkung ausnutzen, dann könnte er zwischen den Stampfern nach vorne kommen …
In diesem Moment donnerte die Stimme der Frau über ihm: „Ich bin kein Tunneleingang, Bürschchen! Und jetzt halt die Gosche!“
Die Frau schob Arkan, oder wie er sich vorgestellt hatte, unsanft zurück und drehte sich wieder um. Und damit saß der lila Felsen wieder fest in der Lücke und der Tunnel war zu.
Addi sah auf seine Uhr. Die Autogrammstunde lief jetzt seit über dreißig Minuten. Lange würde das hier nicht mehr dauern, das wusste er. Solche Veranstaltungen waren meistens nach einer knappen Stunde vorbei. Und er würde wieder mal leer ausgehen. Es sei denn …
„Ey, Arkan!“ Addi stieß den Jungen an.
„Ich heiße Ağan und das spricht man Adschan aus.“
„Okay, Mann!“ Addi hob beschwichtigend eine Hand. „Hier kommen wir jedenfalls nicht mehr durch.“
„Du vielleicht nicht, aber ich werde –“
„Träum weiter!“, unterbrach ihn Addi. „Das ist das dritte Mal, dass ich hier zu einer Autogrammstunde
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