Im Heimlichen Grund
sollte und auf seinen Wunsch zwei seitlich angebrachte Henkel erhielt, damit er ihn auf dem Rücken tragen konnte. Sooft der Regen ein wenig nachließ, suchten sie sich draußen ihre kargen Mahlzeiten. Trotz der Arbeit war die Eßlust der beiden nicht groß. Beeren und Wurzeln schmeckten ihnen nicht mehr. Die Körperkräfte ließen nach, Niedergeschlagenheit stellte sich ein, sie wurden ganz mutlos. In dieser gedrückten Stimmung fiel ihnen vieles Unangenehme auf, das sie bisher nicht beachtet hatten. Ihre Haare, nur mit den Fingern gekämmt, waren wirr, die Kleider vom Herumstreifen durch dornige Stauden zerrissen; Peters Hemd hatte Löcher an den Ellbogen und einen Riß an der Schulter. Sie brauchten warme Kleidung, ehe der harte Winter kam. Das waren ernste Sorgen.
Peter lag mit offenen Augen und starrte durch die Dämmerungzur verräucherten Decke seiner Höhle empor. Da hörte er plötzlich ein donnerartiges Getöse, als ob Steinmassen stürzten. Hatte nicht der Boden unter ihnen gezittert? Lauschend setzte er sich auf. Und noch einmal donnerte es; schweres Poltern folgte, klatschendes Aufschlagen von Felstrümmern, Prasseln von springenden Steinen. Peter fühlte sein Herz klopfen bis herauf zum Hals. – Stürzte die Höhle über ihnen zusammen? Er wunderte sich, daß nach dem Lärm eine Stille eintrat, in der sein scharfes Ohr vom Walde her das Knistern niedergetretener Reiser vernahm: Wild, das vor dem Getöse des Steinschlages flüchtete. Das also war der Schrecken des Heimlichen Grunds.
Peter sprang von seinem Lager auf. Das mußte er sehen. Was der Regen oben an Gestein locker gemacht hatte, das lag unten, und mehr kam jetzt an der gleichen Stelle gewiß nicht herab. Ohne sich von Eva zu verabschieden, griff er nach dem Tragkorb und tat seinen Fauststein und ein Steinmesser hinein. Hastig brach er auf; er wollte zurück sein, ehe Eva aufstand.
Dort rechts an der Felswand, wo mittags die Sonne grell hinbrannte, mußte es gewesen sein! Mit ein paar Sätzen war er im Wald, watete durch den regenfeuchten Modergrund und kletterte über morsche, gestürzte Baumriesen. Der Regen hatte nachgelassen, war in ein stilles Rieseln übergegangen, bei dem es Peter zu frösteln begann.
Beim Anblick einer hohlen Buche kam ihm ein Gedanke. Wie wär's, wenn er da sein durchnäßtes Gewand versteckte, statt es auf dem Leibe zu lassen und es beim Kriechen durchs Strauchwerk noch mehr zu zerfetzen? Kaum hatte er sich der nassen Kleidung entledigt, hörte das Frösteln auf. An einem Stock wollte er Hemd und Hose in die Baumhöhlung hängen.
Plötzlich hörte er im Baum ein Knistern und Summen; rasch entschlossen stieß er den Stock höher in den hohlenStamm hinein. Da fielen schwere, gelbbraune Waben herunter, auf denen graubepelzte Bienen herumkrochen, starr von der Regenkühle. Peter schaffte die Waben ins nasse Gras des Waldbodens und kehrte die Bienen mit einem Tannenzweig ab. Die honigschweren Waben tat er in seinen Korb. In eine aber biß er, vom Duft verlockt, hinein. Ob Honig oder Larven in den Zellen waren – er aß darauf los. Das ausgesaugte Wachs aber ballte er zu einer Kugel zusammen und tat es auch in den Korb. Wer weiß, wozu es taugen mochte.
Die Bangigkeit, die sich Peters bemächtigt hatte, während er durch die versumpfte Niederung des Urwaldes gedrungen war, wich beherzter Zuversicht, als er in den Eichenbestand des oberen Waldes kam, durch dessen Blätterdach das erste Sonnenlicht sickerte. Ohne sich lange aufzuhalten, hob er da und dort einen genießbaren Pilz vom Boden auf, tat ihn in den Korb und ging weiter. Da bemerkte er Wildspuren und Losung, die er nicht kannte. Sein lauschendes Ohr vernahm wieder das Knistern niedergetretener Reiser. Vom Stamm einer Eiche gedeckt, spähte er nach vorn. Dort – kaum einen Steinwurf weit sah er eine Wildsau mit acht Frischlingen. Das graue Borstenkleid des mächtigen Tieres hob sich glänzend vom braunen Waldboden ab, während die Frischlinge mit ihrem rötlichen, gelbweiß gestreiften Jugendkleid sich so fremd ausnahmen, als gehörten sie nicht in die düstere Umgebung. Peter stand regungslos vor Schreck und Verwunderung. Was er einst vom Ähnl über die Wildheit der Muttertiere bei der Verteidigung ihrer Jungen gehört hatte, ließ ihn um sein Leben zittern. Schleichend wollte er in weitem Bogen um die Tiereherumkommen. Trotz aller Vorsicht trat er immer wieder auf dürre Zweige, dessen Knacken durch die Stille hallte. Die Wildsau hob den mächtigen Kopf,
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