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Im Heimlichen Grund

Im Heimlichen Grund

Titel: Im Heimlichen Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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einmal spät nachts etwas, das sie zu neuen Grübeleien zwang. Vom flackernden Schein des angezündeten Kienspans geweckt, sah sie,wie Ähnl und Ahnl sich an der sonst verschlossenen Wandnische zu schaffen machten. Der Ähnl nahm ein schmales Holzkästchen aus dem Wandschrank, öffnete es und holte ein zottiges Wurzelmännlein heraus. Es war mit einem Ledergurt, mit Pantöffelchen und einem Feuerschwammhütchen angetan. Die Ahnl zog den Alraun aus, badete ihn in einer bereitgehaltenen Schüssel und murmelte etwas Unverständliches. Dann goß sie das Wasser vorsichtig in eine irdene Flasche, denn jeder Tropfen dieses Badewassers galt als kostbare Arznei. Das Wurzelmännchen wurde wieder angekleidet und in sein Bett gelegt. Eva, die sich auf ihrem Lager aufgerichtet hatte, sah, wie der Ähnl allerlei Glitzerndes und Klingendes um das Männlein ordnete. »Vergiß das Gold nicht!« hörte sie die Ahnl sagen, die dem Alten winzige Stücke des Edelmetalls zureichte. »Ach!« entfuhr es Eva unwillkürlich – da blies der Ähnl so stark in die Flamme des Kienspans, daß sie erlosch, und beeilte sich, beim Schimmer der Glut den »Hausgeist« wieder in seinen Schrank zu stellen. Jetzt wußte Eva um ein Geheimnis der Großen. Mehr erfuhr sie freilich nicht.
    Doch wie es mit verbotenen Dingen geht: Der Alraun reizte Evas Neugierde. Obwohl sie wußte, daß sie unrecht tat, öffnete sie heimlich den mit einem Pflock verschlossenen Wandschrank, nahm das geheimnisvolle Kästchen aus dem Dunkel der Mauernische und betrachtete den Inhalt.
    Da waren Rosengallen, Haselnüsse, Zirbelzapfen, Stücke von Edelsteinen, aber auch Körner und Fäden eines hellgelben Metalls, an denen Eva sich nicht sattsehen konnte.
    Immer wieder nahm sie das Gelbe, Schimmernde in die Hand. Es mußte etwas ganz Kostbares sein. »Vergiß das Gold nicht!« hatte die Ahnl gesagt ... Da hörte sie den Bergstock der heimkehrenden Großmutter aufschlagen und stellte mit Windeseile das Holzkästchen in sein Versteck zurück. Die Ahnl hielt den Besitz des Alrauns, dieses heidnischen Hausgeistes, vor aller Welt geheim. Er hätte sonst nach ihrer Meinung seine Heilkraft verloren.
    Später, als Eva schon gut das Haus hüten konnte, begann die alte Frau ihre Wanderungen auszudehnen. Mochten auch die abergläubischen Älpler glauben, sie sei mit dem Teufel im Bunde, man rief sie doch, wenn man sie brauchte, diese alte, hagere Frau mit dem scharfgeschnittenen, vom Leid gezeichneten Gesicht und den entzündeten Lidern. Argwöhnisch und hoffnungsvoll zugleich lauschten die Menschen auf die unverständlichen Worte ihrer »Besprechungen«.
    Da geschah etwas Schlimmes. Eine Bäuerin, die einen Heiltrank der Stoderin getrunken hatte, erkrankte an einer Gliederlähmung, gegen die kein Mittel helfen wollte. Das Gerücht, die Stoderin habe ihr's »angehext«, gewann so viel Glauben, daß die alte Frau wieder flüchten mußte, wenn sie nicht auf dem Scheiterhaufen brennen wollte. Der Bruder selbst geleitete sie bei Nacht übers Gebirge südwärts nach dem »Heimlichen Grund«, der ihm aus seiner Jugendzeit bekannt war; dort hatte er als junger Bursch mit Armbrust und Pfeilen Steinböcke gejagt. Von den abergläubischen Anwohnern wurde der Bergkessel Jahrzehnte ängstlich gemieden. In der engen Klamm, die den einzigen Zugang bildete und die »Teufelsschlucht« hieß, waren drei tollkühne Eindringlinge nacheinander vom Steinschlag getötet worden. In seiner Fürsorge schleppte der alte Mann trotz der schwierigen nächtlichen Wanderung eine Ziege mit; sie sollte der Schwester wenigstens so lange Nahrung geben,bis die Kastanienbäume, eine Hauptnahrungsquelle der Tiere des Heimlichen Grunds, Früchte trugen.
    Nach dem lebensgefährlichen Anstieg durch das noch wasserarme Bett des Klammbachs wies der alte Hans seiner Schwester die Wohnhöhlen unter den Salzwänden des Heimlichen Grunds und kehrte eiligst in die Geiergräben zurück, wo Eva allein zu Hause war. Als die Ahnl wochen- und monatelang ausblieb, wurde das Mädchen immer bedrückter, denn der alte Onkel war noch mürrischer und noch wortkarger geworden.
    Ein Jahr verging. Die gelähmte Bäuerin war inzwischen fast genesen, und die Verdächtigungen gegen die Stoderin verstummten. Schon wollte sich Hans auf den Weg machen und seine Schwester wieder heimholen, als sie ungerufen zurückkehrte. Sie kam ohne die Ziege, aber nicht allein. Ein stämmiger, braunäugiger, schwarzhaariger Junge von ungefähr sieben oder acht Jahren, den

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