Im Heimlichen Grund
an.
Vorsichtig habe er sich an den Rehbock herangepirscht, der droben bei der Grableiten äste. Ehe er aber zum Speerwurf gekommen sei, habe der Bock herübergeäugt und sei plötzlich auf und davon.
»Er wird dich halt früher gesehen haben«, versetzte Eva, »das war' kein Wunder, mir bist auch von weitem aufgefallen, so hell hat sich dein Leib abgehoben vom grünen Busch und Gras.«
Peter horchte auf. »Ah, du meinst, meine Haut hätt' den Bock g'schreckt?«
Das Abendessen schmeckte weder Peter noch Eva sonderlich,obwohl sie tagsüber nichts Rechtes zu sich genommen hatten. Sie aßen nur, um den ärgsten Hunger zu stillen; ihren Mägen behagte die Kost nicht mehr, alles schmeckte fad. Die Kornelkirschen aber waren noch zu herb und mußten nachreifen. Der Gedanke, das Wild ängstige sich schon von ferne vor seiner Hautfarbe, beunruhigte Peter. Er grübelte so lange, bis ihm einfiel, wie dem Übel abzuhelfen sei. Wie, wenn er seinen Leib mit nassem Lehm bestriche? Das müßte doch seiner hellen Haut eine stumpfe, unauffällige Farbe geben!
Mit diesem Gedanken schlief er ein.
Salz
Geborgen vor Witterungsunbilden, notdürftig bekleidet, frei von den ärgsten Nahrungssorgen, hätten die Höhlenkinder bei ihrer Arbeit, die ihnen allmählich zu einem behaglicheren Leben verhalf, glücklich sein können. Aber gerade zu Beginn der Herbsternte fühlten sie sich wieder so matt und schlaff wie schon einmal.
Woher kam nur dieses Gefühl, das sie zeitweise so mutlos und verdrossen, so launenhaft und streitsüchtig machte? Sie wußten es nicht. Peter war bei aller Mattigkeit von einer unerklärlichen Unrast erfüllt. Überall stöberte er herum und wußte nicht, was er suchte. Als wieder ein mehrtägiger Regen einsetzte und die beiden zu Hause festhielt, verbrachten sie ihre Zeit meist untätig und verärgert, jeder in seiner Höhle. Wozu arbeiten, es hatte ja doch keinen Zweck! Dabei schaute Peter von seinem Lager aus ungeduldig in den herabströmenden Regen; ein geheimnisvollerTrieb lockte ihn hinaus und hinauf nach unerforschten Höhen.
Eva raffte sich zuweilen auf, besserte an ihren Balgkleidern herum und ärgerte sich dabei mehr als je über ihr wirres Blondhaar, das ihr immer wieder ins Gesicht fiel. Wütend griff sie nach einem Rindenstreifen und band sich ihn als Stirnband um den Kopf. Jetzt mußten die Haare Ruhe geben! Und angeregt durch die Erleichterung, beschloß sie, sich ein schönes Stirnband zu machen. So sehr reizte sie der Gedanke, daß sie ihre Trägheit überwand und Ruten vom Vorrat am Bach holte.
Peter bemerkte das Band über ihrer Stirn. Es gefiel ihm; auch ihm waren seine langen, vorfallenden Haarsträhnen lästig. Er machte sich auch ein Stirnband, nahm aber nicht Weidenrinde, sondern zwei übereinandergelegte Fellstreifen, heftete sie zusammen und steckte drei Geierfedern dazwischen.
Eva sah es nicht ohne Neid und nahm sich vor, ihr neues Stirnband noch schöner zu schmücken.
Am nächsten Tag hatte sie es fertig. Im Geflecht befestigte sie allerlei bunte Federn. Beim Kramen in Peters Allerlei kamen ihr gestreifte Schnirkelschnecken in die Hände, die sich leicht durchlochen und am Stirnband festnähen ließen.
Erwartungsvoll trat sie vor ihn hin: »Peter, was sagst dazu?«
»No ja«, meinte er geringschätzig, »schön bist schon. Zum Jagen wär' das kein Aufzug. Die Farben schreien ja! Die Spechte und die Häher täten's im ganzen Wald rufen, daß da eine herumgeht, die sich mit ihren Federn aufputzt. Da, schau mich an: Ich hab' mich heut schon in aller Früh mit nassem Lehm angestrichen, heut wird sich vor mir kein Bock schrecken.«
In der Nacht hörte der Regen auf. Morgens unternahm Peter gutgelaunt einen Streifgang, und Eva durfte ihn begleiten.
Sie durchwateten an einer seichten Stelle den Klammbach und begannen ihre Bergwanderung über die noch schattenkühle Lehne, die jenseits der Quellgrotte anstieg.
Es wurde Mittag, ehe sie aus dem Bereich der verblühten Alpenrosen in Höhen hinaufdrangen, wo sie noch in voller Pracht standen.
Eva konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich einige der blaßroten Blütensträuße hinter das Stirnband zu stecken.
Peter erlegte ein Steinhuhn. Während er die Beute am Gürtel festband, machte sich Eva ans Einheimsen von Preiselbeeren. Da fand sie schütter im Gras stehenden Bergflachs, dessen Stengel kugelige Kapseln trugen. Eifrig sammelnd stieg sie langsam auf. Peter half ihr bei der Ernte. Dabei erzählte Eva, was sie von der Ahnl
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