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Im Heimlichen Grund

Im Heimlichen Grund

Titel: Im Heimlichen Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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her vom Zurichten des Flachses noch wußte: Einwässern wollte sie die Stengel, in der Sonne dörren, mit den Händen brechen und dann aus den Fasern Fäden zwirbeln ...
    Bald hatten sie zwei große Bündel beisammen, und Peter mahnte zum Weitergehen; er wollte hoch oberhalb der Wohnhöhlen herumgehen und drüben an der Steinschlaglehne niedersteigen. Die Nacht durfte sie nicht in den Felsen überraschen. Inzwischen war es heiß geworden, der Durst meldete sich; immer matter werdend, stiegen die beiden mühsam weiter. Die hohen Kräuter und beerentragenden Stauden hörten allmählich auf. Nur da und dort leuchtete eine verspätete Erdbeere aus dem kurzen Gras.
    Bei der schroffen Bergwand über der Schutthalde angelangt, standen die beiden ausruhend still. Die helle Pracht der Talsohle tief unten fesselte den Blick. Mitten durch die grüne Fläche des Steinfeldes, dessen Ecken stumpf abgeschrägtwaren, schlängelte sich, von Buschwerk gesäumt, der schmale Klammbach. Wo der Wald aufhörte, umfloß die Wasserader in enger Gabelung den turmartigen Sonnstein, dessen Abbruchsteilen in der Sonne glitzerten. Von der links im Schatten liegenden Grableiten mit ihren Heidelbeerbüschen, Fichten und Birken glitten die Blicke zu den Klammwänden, in deren Spalt der Bach verschwand. Dahinter hoben sich in weiter Ferne drei Hochgipfel vom Himmel ab.
    Der südlichste dieser Gipfel hatte die Gestalt eines sanft nach Norden gekrümmten Horns, der nördlichste ragte als steile Spitze empor, während der mittlere einer sitzenden Riesenhenne glich. Peter und Eva stellten fast gleichzeitig diese Ähnlichkeit fest. Vergnügt darüber, daß sie darin einig waren, ließen sie ihre Blicke weiter schweifen. Da sahen sie tief rechts, jenseits des Klammbachs, wo ein schilfgesäumtes Wässerchen ihm zufloß, eine breite Bodenstufe, die sich in ihrem gleichmäßigen Grün vom unruhigen Hintergrund der buschbewachsenen Halden eigenartig abhob. Das Grasland war durchsetzt von kleinen runden, blanken Wasserspiegeln; da und dort standen weißleuchtende Birken, vom Winddruck schräg herübergeneigt, und kleine Gruppen silbrig schimmernder Laubbäume. Das mochten wohl Weiden sein. An der sanften Lehne gegen die Felswand zu stiegen sie in zwei Reihen auf. Von dorther glitzerte zwischen Buschwerk ein Bächlein, das sich im Sumpf der Bodenstufe verlor und später als Bach im Moor sichtbar wurde. Hinter dem Sumpfland zog sich längs der rechten Klammwand eine schmale, mit einzelnen Nadelbäumen bewachsene Halde hin. Rechts oberhalb der Schilf- und Buchenbestände des Moores stieg das Land zu einer breiten Lehne an, die von steilen Wänden abgeschlossen war. Dort floß in weißschimmernden Wasserfällen der Moorbach nieder. Bis zur halben Höhe war die Felswand,aus welcher der Bach kam, dunkelgrau und glänzte matt im Sonnenschein. Darüber hob sich in braunroten und weißen Schichten der aufgelagerte Kalkfels vom unteren Urgestein ab. Während Peter noch die merkwürdige dreifarbige Wand anstarrte, betrachtete Eva die rechts daran anschließende Südwand. Hellfarbig stieg diese im vollen Lichte auf, ihre scharfen Grate leuchteten, und an ihrem Fuße standen mächtige Laubbäume mit rundlichen Kronen.
    Eva zeigte hinüber: »Schau, Peter, stehen dort nicht die Maronibäume, von denen die Ahnl erzählt hat?«
    »Das können nicht lauter Kastanienbäume sein«, bemerkte er, »die Kronen sind ungleich. Buchen dürften drunter sein, vielleicht auch Walnußbäume, vielleicht gar Vogelkirschen oder wilde Birnbäume.«
    »Gehen wir schauen, ob die Maroni schon reif sind«, schlug Eva vor.
    »Du lieber nicht«, versetzte Peter nachdenklich, »dahinter ist's nicht geheuer. Siehst du die Höhlen in der Südwand? Dort dürften die Bären hausen, die ich am Steinschlag getroffen hab'. Schau, rechts davon ist die Geröllhalde, wo sie den Rumpf von meinem Bock aufg'fressen haben. Wo mögen die Steinböcke sein?«
    Als erfahrener Hirtenbub erwartete Peter, irgendwo scheckige Nachkommen der weißen Ziege und eines braungrauen Steinbocks zu entdecken, und sei es auch noch so hoch in der Wand.
    Von der sonndurchglühten Felswand, an der sich die Kinder zur Rast niedergelassen hatten, ging eine Hitze aus, die ihr Durstgefühl noch steigerte. Und der Boden unter ihren Füßen war trocken, nirgends eine feuchte Stelle, die eine Quelle verriet.
    Die beiden brachen wieder auf. Die Augen auf den Boden gerichtet, schritt Peter voran, an der Wand entlang, dem schwindelerregenden

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