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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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Hafenkneipen ein wenig vergnügen und dass
Proviant aufgenommen werden konnte. Der Kapitän hoffte auch auf neue Ladung,
aber noch hatte der Schoner keine neue Fracht in Aussicht. Falls das Schiff
länger im Hafen liegen musste, war dies kostspielig, aber in Südafrika bestand
eine gute Chance auf einen raschen und lukrativen Auftrag, zu vielfältig waren
die Güter, zu rege der Handel und der Bedarf an den exotischen Waren in der
Heimat.
    Die Parisienne , deren
Heimathafen Marseille war, hatte für False Bay in erster Linie Saatgetreide
geladen, außerdem Salz aus der Camargue, getrockneten Oregano, Rosmarin, Majoran
und Lorbeer aus der Provence, Zimt, Koriander und schwarzen Pfeffer aus Sri
Lanka sowie etliche Fässer Branntwein und Stockfisch aus Norwegen – letztere
Güter waren meist für italienische Auswanderer bestimmt. Darüber hinaus gehörten
zur Fracht etliche Ballen feinsten Brokats und Damasts aus Lyon, sorgfältig
verpackt und vom Ersten Offizier gehütet wie der Kronschatz.
    Oft hatte Ben die anderen Matrosen über
ebendiesen Teil der Fracht munkeln hören, dass es sich dabei um Schmuggelware
handele, auch kannte er die derben Scherze über die reichen Damen, deren Körper
der teure Stoff in Südafrika umhüllen würde, aber er hatte keinen Sinn für
solcherlei Geschwätz. Was scherte es ihn, ob der Kapitän ein falsches Spiel
spielte, um sich an den Stoffen zu bereichern? Er hatte Wichtigeres vor. Obwohl
er nur ein einfacher Matrose war, hatte er selbst einen kleinen Teil der
Ladefläche für sich beanspruchen können, den ihm der Kapitän für ein paar Heller
abgetreten hatte.
    Â»Du bist verrückt, Ben«, hatte er gesagt und sich
über den schmalen Oberlippenbart gestrichen, »aber ich kann dich gut leiden.
Vielleicht weil du aus Deutschland kommst, so wie meine Großmutter. Und du bist
nicht so ein roher Kerl wie die meisten anderen Matrosen, du hast große Pläne …
daran habe ich Gefallen. Und wer weiß, vielleicht wird ja tatsächlich etwas aus
deinem Vorhaben.« Er spuckte einen Brocken Kautabak über die Reling. »Dann
erwarte ich ein Fass von der ersten Ernte als zusätzliches Entgelt.« Als er
seine Hand ausgestreckt hatte, war Ben ein Stein vom Herzen gefallen, und er
hatte erleichtert eingeschlagen.
    Dort, an dem verborgenen Platz unter Deck, wo das
Licht durch eine Luke in der Bordwand gerade ausreichte, damit die Pflanzen
nicht eingingen, hatte Ben sich nach der harten körperlichen Arbeit an Bord
stets Zeit genommen, die Rebstöcke zu pflegen, die seinen ganzen Besitz
darstellten. Sie brauchten Wasser, mussten gegen Fäulnis und gegen Ungeziefer
geschützt werden, und sie mussten immer ein wenig frische Luft bekommen. Etwa
ein Dutzend der kostbaren Pflanzen hatte er dennoch verloren – und das, obwohl
er fast jede freie Minute bei seinen Reben verbracht hatte.
    Unter den anderen Matrosen hatte sich sein
»Hirngespinst«, wie sie es nannten, schnell herumgesprochen. Für viele war er
ein Traumtänzer oder jemand, der zu tief ins Glas geschaut hatte. Jemand, über
den man spottete, eine traurige Figur. Ob auch nur einer von ihnen ahnte, was
diese Pflanzen für Ben bedeuteten? Mit den Händen über die ein wenig knorrigen
Stöcke zu streichen bedeutete, seine Zukunft zu spüren. Es bedeutete ein
besseres Leben und neue Hoffnung.
    Wieder strich Ben sich eine dunkle Strähne aus
dem von der Arbeit erhitzten Gesicht. Es war viel zu lang, deswegen musste er es
im Nacken mit einem Band zusammenhalten. Marty, ein Matrose, der auch als
Barbier gearbeitet hatte, war vor vier Wochen gestorben. Seither hatte kaum
jemand von der Mannschaft der Parisienne einen Kamm
oder gar ein Rasiermesser gesehen. Daher war Ben Ruhlands Gesicht zum Teil von
einem struppigen Bart verdeckt, der ihn älter erscheinen ließ als seine dreißig
Jahre. Von weitem hätte jeder ihn für einen groben Seemann gehalten, aber seine
warmen dunklen Augen verrieten sein freundliches Wesen.
    Als er sich kurz an einem der Polder ausruhte,
nachdem er wie alle anderen sorgfältig verschnürte Pakete auf Karren gewuchtet,
Rollen über die Planken getragen und Fässer gerollt hatte, wanderten seine
Gedanken zurück zu seinem Großvater, dessen Briefe ihn an ebendiesen Ort geführt
hatten. Die Hafengeräusche nahm Ben auf einmal nur noch wie von ferne wahr,
genau wie das gegen die

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