Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
verlobt.«
»Nicht?« Bruder Laumer hob erstaunt die Brauen und griff nach einem weiteren Stück Fisch. »Nun, dann muss ich etwas falsch verstanden haben. Wie auch immer, inzwischen überlegt man allen Ernstes, Finschhafen zu evakuieren und den Regierungssitz nach Stephansort zu verlegen.«
Er erzählte noch weiter, aber Isabel hörte kaum mehr zu. Offenbar war noch nicht einmal Anklage erhoben worden – weder gegen den falschen Baron noch gegen Noah. Es war einfach niemand mehr da, der dafür zuständig war.
Ein wenig beruhigte sie das. Solange es keine Verhandlung gab, konnte man Noah auch nicht verurteilen.
*
An einem der nächsten Vormittage erschien Dr. Weinland erneut in Simbang und bat um eine Unterredung mit Bruder Lorenz und Isabel.
»Sie wollen uns wirklich verlassen?« Bruder Lorenz strich sich über seinen langen Bart. Zu dritt saßen sie im von einer leichten Seebrise umwehten Missionshaus. Die Kostschüler vergnügten sich am Strand oder lungerten im Schatten unter den Pfahlhütten herum.
Der junge Arzt nickte traurig. »Ich will nicht, ich muss. Sosehr ich es auch bedaure, Pater, aber die vielen Krankheitsfälle machen es leider nötig. Finschhafen wird geräumt. Heute fährt der letzte Dampfer nach Stephansort.«
»Ja …« Bruder Lorenz war sichtlich betroffen. »Wir hatten so etwas schon befürchtet, aber dass es jetzt doch so schnell geht … Nun, es wird sicher das Beste sein, bevor noch mehr Menschen erkranken.«
»Sie sagen es«, gab Dr. Weinland zurück. »Ich bin hier, um mich von Ihnen zu verabschieden und um«, er kramte umständlich in seiner Arzttasche, »um Fräulein Maritz diesen Brief von Herrn von Faber zu überreichen.«
Erstaunt nahm Isabel den Umschlag in Empfang und öffnete ihn.
Liebste Isabel,
die Liebe und die Sorge um Sie drängen mich mit aller Macht, Sie endlich an meiner Seite zu wissen. Bitte verzeihen Sie mir meinen knappen Stil, aber die Epidemie zwingt uns zum Handeln. Reichskommissar Rose hat beschlossen, Finschhafen aufzugeben, der Regierungssitz wird nach Stephansort verlegt, die Bevölkerung evakuiert. In diesen Minuten, da ich diesen Brief in aller Hast schreibe, wird bereits der Großteil meiner Habseligkeiten zusammengepackt. Noch heute Mittag brechen wir auf. Ich möchte Sie daher bitten, ebenfalls zu packen und sich bereitzuhalten: Die Herzogin Elisabeth von Kapitän Pahnke, die uns nach Stephansort bringt, wird einen Umweg über Simbang machen und Sie abholen. Liebste Isabel, ich bin in wenigen Stunden bei Ihnen, um Sie mitzunehmen in unsere gemeinsame Zukunft.
In Liebe und vorfreudiger Erwartung
Ihr ergebenster Diener Berthold von Faber
Isabel ließ den Brief sinken. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen, ihr war schwindelig. Berthold wollte sie mitnehmen nach Stephansort? Weg von Simbang? Sicher, er war besorgt um sie, aber dass er sie derart bedrängte und schon wieder über sie bestimmte, ohne sie auch nur zu fragen, ob es ihr recht sei, stieß ihr bitter auf.
»Ist Ihnen nicht gut, Schwester Maritz?«, fragte Bruder Lorenz besorgt.
»Doch«, murmelte sie. »Aber … Berthold … Herr von Faber will, dass ich mitkomme nach Stephansort.«
»Ein vernünftiger Vorschlag«, sagte Dr. Weinland. »Ich würde Ihnen sehr ans Herz legen, Fräulein Maritz, darauf einzugehen. Und auch Sie und Ihre Mitbrüder, Pater Lorenz, möchte ich dringend bitten, sich uns anzuschließen und mit uns nach Stephansort überzusiedeln. Denn bedenken Sie: Sobald Finschhafen verlassen ist, wird Ihre Missionsstation vollkommen auf sich allein gestellt sein, ohne Arzt oder sonstigen Schutz. Sie werden nicht einmal eine Schiffs-oder Postverbindung haben.«
Bruder Lorenz nickte bedächtig.
»Das ist uns bewusst«, sagte er schließlich. »Und wir haben bereits darüber beraten. Aber wir vertrauen auf den Schutz und den Beistand Gottes. Wir haben so viel Vorarbeit geleistet. Jetzt geht es darum, die Saat aufgehen zu sehen, die wir gepflanzt haben. Nein, Doktor Weinland, wir werden hierbleiben.«
Der junge Arzt schüttelte bedauernd den Kopf. »Dann wünsche ich Ihnen alles Glück dieser Welt. Und nun muss ich schnellstens zurück. Das Hospital muss schließlich noch geräumt werden.« Er schloss seine Tasche und erhob sich, dann hielt er inne. »Ach, das wird Sie sicher noch interessieren: Gründler hat es auch erwischt – der Mann, der sich als Baron de Wolff ausgegeben hat.«
In Isabel schien alles zu gefrieren. Würden sie jetzt nie erfahren, was in jener Nacht
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