Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
Europäern oder den chinesischen Kulis erkranken sie nur sehr selten an Malaria, und wenn, dann in weitaus schwächerer Form. Sobald wieder ruhigere Zeiten eingekehrt sind, werde ich ein paar vergleichende Untersuchungen anstellen. Mich würde interessieren, ob es sich dabei um eine angeborene oder eine erworbene Immunität handelt. Möglicherweise kann man daraus ein Heilmittel ableiten und diese schreckliche Krankheit bekämpfen.«
Er sprach noch weiter von seinen Plänen, dann zogen sich die beiden Männer in die Missionshütte zurück, da Dr. Weinland Bruder Lorenz noch einmal gründlich untersuchen wollte. Auch die Jabim zerstreuten sich allmählich.
Isabel zog es an den Strand. Lange stand sie dort, den Blick aufs Meer gerichtet, auf die ferne Weite, den dunstigen Horizont. Was sich derzeit in Finschhafen abspielte, schien weit weg zu liegen. Die Wirklichkeit war hier, hier in Simbang, wo sich die Wellen am Strand brachen, die Seevögel schrien und die Palmen rauschten.
Und dennoch: Das Gefühl, auf das sie so lange gewartet hatte, wollte sich nicht einstellen. Das Gefühl von Heimat und Verbundenheit.
Etwas fehlte. Jemand.
Wie von selbst lenkte sie ihre Schritte den Strand entlang und dann zu Noahs Pfahlhütte, die hinter Gebüsch und Palmen fast verborgen war. Hierher, auf den erdigen Platz davor, hatte er sie damals getragen, als sie in den Seeigel getreten war, hatte ihren Fuß über ein Feuer gehalten, um das vermutete Gift abzuschwächen, und danach hingebungsvoll massiert.
Kurz zögerte sie, dann kletterte sie die aus Bambus zusammengebundene Leiter hinauf. Auf der schmalen Veranda standen noch immer die geschnitzten Menschen-und Krokodil-Figuren in verschiedenen Größen, an die sie sich von damals erinnerte.
Sie war noch nie in Noahs Hütte gewesen, und es erschien ihr wie ein Sakrileg, jetzt hier einzudringen. Aber sie konnte nicht anders. Sie drückte die Tür auf. Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum, in dem sich eine schmale Bambuspritsche mit Moskitonetz, etwas Kochgeschirr und eine einfache Holztruhe befanden, auf der weitere kleine, geschnitzte Figuren sowie mehrere bemalte hölzerne Schüsseln von der Insel Tami standen. An der Wand hing ein großer Bogen. Feiner sandiger Staub lag über allen Dingen. Die geflochtenen Bastmatten, die den Boden bedeckten, waren an einer Stelle dunkel verfärbt. Isabel trat näher. Es sah aus wie Blut. Getrocknetes Blut, das in die Matten gesickert war. Hatte Noah sich irgendwann einmal verletzt? Oder – ein Schauer überlief sie – war das das Blut von Herrn Konings? War der Holländer womöglich hier erschlagen worden?
Sie versuchte, diesen fürchterlichen Tag zu rekapitulieren. Die beiden Besucher hatten hier in Noahs Hütte geschlafen – einer auf der Pritsche, der andere vermutlich in einer Hängematte, denn sie sah an zwei Balken Haken, die wohl dafür vorgesehen waren. Nachdem Konings’ Leiche gefunden worden war, hatte Baron de Wolff – nein, Herr Gründler, berichtigte sie sich – hatte Gründler behauptet, Herr Konings sei in der Nacht aufgestanden, vermutlich, um sich zu erleichtern. Kurz darauf habe Gründler Noah gesehen, der in die Hütte geschlichen sei, sein Gewehr genommen habe und wieder verschwunden sei. Und dann angeblich Herrn Konings damit erschlagen habe.
Aber das konnte nicht stimmen. Wenn Konings irgendwo draußen umgebracht worden war – was machten die Blutflecken dann hier in Noahs Hütte? War der falsche Baron womöglich nicht nur ein Hochstapler, sondern auch ein Mörder?
Vielleicht war Konings ja hinter Gründlers Geheimnis gekommen, oder er stand dem falschen Baron bei irgendetwas im Weg. Dann hatte sich an diesem Abend durch Noahs feindseliges Verhalten Konings gegenüber für ihn eine denkbar günstige Gelegenheit ergeben.
Konnte Gründler seinen Kompagnon getötet, den Toten hinausgetragen und bis zum Strand geschleift haben? Und das Ganze dann Noah angelastet haben?
Es war Gründler gewesen, der am lautesten Noahs Schuld herausgerufen und ihn als Mörder und Kannibalen bezeichnet hatte. Jemand, der skrupellos genug war, einen Mord zu begehen, hatte sicher wenig Bedenken, einen anderen dieses Verbrechens zu beschuldigen.
Konnte es wirklich so gewesen sein? Das waren immerhin schwere Anschuldigungen. Andererseits würde es vieles erklären – und Noah entlasten.
Sie musste unbedingt mit jemandem reden, aber wem konnte sie sich anvertrauen? Am besten wohl Bruder Lorenz.
Aufgeregt kletterte sie die
Weitere Kostenlose Bücher