Im Herzen des Kometen
Darmbakterien, die uns helfen, unsere Speisen zu verdauen, bis zu einer besonderen Milbenart, die nur an der Basis menschlicher Augenwimpern lebt, sie absucht und durch das Verzehren abgestorbener Partikel reinhält.
Keines dieser symbiotischen Tiere vermag unabhängig vom Menschen zu leben. Noch können wir ohne weiteres ohne sie auskommen. Sie sind beinahe so sehr zu Teilen des Kolonieorganismus namens Homo sapiens geworden wie die menschliche DNS selbst.«
»Dann ist es wie ein Quantenfeld in der Physik«, meinte Carl. »Die Grenzen dessen, was ich als meine Person bezeichne, sind… sind…«
»Sind amorph. Schwierig zu bestimmen, weil nebelhaft. So ist es! Zum Beispiel hat man gefunden, daß Ehepaare auffallende Ähnlichkeiten in der Zusammensetzung der inneren Flora aufweisen. Intimitäten führen zum Austausch von Symbionten. In gewisser Weise gewinnen beide Partner an gemeinsamer Identität, indem sie solche Elemente miteinander teilen.«
Carl runzelte die Stirn. Und Saul erkannte, daß er ein heikles Thema angeschnitten hatte. Er beeilte sich, eine Überleitung zu finden.
»Aber das ist nur ein Nebenaspekt. Mein Hauptargument ist, daß, wenn überhaupt, nur wenige dieser Symbionten sich ohne anfängliche Kämpfe in ihren Nischen niederlassen konnten. Die Evolution arbeitet nicht so… jedenfalls nicht im allgemeinen.«
»Aber…«
»Jeder Symbiont, vom Verdauungshelfer bis zum Follikelreiniger, hat einmal als Eindringling angefangen. Jedes Zusammenwirken nahm seinen Anfang in einer Krankheit.«
»Ich sehe nicht…« Carl zog die Stirn in Falten. »Warten Sie! Einen Augenblick! Sie sprachen von Krankheit als einer Verhandlung zwischen Wirt und eindringender Spezies. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, findet diese ›Verhandlung‹ über den Leichen ungezählter Toter auf beiden Seiten statt!« Carl blickte ihm fest in die Augen. »Es mag sein, daß sie eines Tages zu einem Modus vivendi kommen werden, aber das hilft den Individuen nicht, die sterben müssen, oftmals unter schrecklichen Umständen, zerbrochen auf dem Rad der Evolution.«
Saul war überrascht. In seinen nachdenklichsten Augenblicken schien Carl Osborn eine neue Wortgewandtheit zu Gebote zu stehen. Mit der Reifung und Härtung war aus dem etwas unbeholfenen Technokraten ein Mann mit Ausdrucksfähigkeit geworden.
»Gut gesagt«, antwortete Saul. »Und das beschreibt genau, was wir hier auf Halley sehen. Manche sterben rasch. Andere bekämpfen die Eindringlinge, so daß es zu einem zeitweiligen Stillstand kommt. Einige profitieren sogar ein wenig von Nebenwirkungen ihrer Heimsuchung.«
Carl ließ die Hand mit ungeduldiger Gebärde auf die Tischplatte fallen. »Alles gut und schön, Saul. Wenn – wenn! – es nur eine oder zwei Krankheiten gäbe, und wenn wir Generationen einer Millionenbevölkerung hätten, in deren Verlauf dies alles sich einpendeln könnte. Aber das ist eben nicht der Fall. Nehmen Sie diesen grün gefärbten Typ, der oben in der Versuchsstation für Hydrokultur arbeitet…«
»Den alten McCue? Dessen Hautparasit ihm Nährstoffe zuzuführen scheint, die durch ultraviolette Beleuchtung entstehen?«
»Ja. Hört sich großartig an, nicht? Doch um Ihren eigenen Bericht zu zitieren: der Verstand des Mannes ist durch Peptide, die als Nebenprodukt desselben fungoiden Parasiten entstehen, auf das Niveau eines Schwachsinnigen reduziert worden.«
»Es freut mich, daß Sie meine Berichte lesen«, sagte Saul.
Carl schnaubte. »Außer den Berichten, die von Jeffers und Virginias Computer kommen, sind Ihre die einzigen, die zu lesen sich noch lohnt. Ihr Ruhm wird zweifellos weiter zunehmen, wenn Sie Ihre Berichte zur Erde senden.«
Das traf Saul schmerzlich. Wie hatte er fertiggebracht, daß Carl ihn wieder mißverstand? »So ist es nicht.«
»So? Wie ist es dann, Sie biologisches Genie? Sagen Sie es mir! Für einen Amateur weiß ich ganz gut Bescheid. Überzeugen Sie mich! Erklären Sie mir, wie all diese hübschen Theorien über Symbiose einer winzigen, überwältigten Kolonie von Nutzen sein sollen, deren Mitglieder ausnahmslos Todeskandidaten sind!«
Saul schwieg, bis Carls Atem ruhiger ging. »Ich sagte es bereits, aber Sie hörten nicht zu«, sagte er dann. »Es gibt eine Person auf diesem Planetoiden, der in keinerlei Gefahr ist. Jemand mit Eigenschaften, die ihm in einer völlig neuen Art und Weise Sicherheit geben. Diese Person bin ich.«
»Sie?«
Saul nickte. »Mein Niesen, meine ständig tropfende Nase
Weitere Kostenlose Bücher